Montag, 23. Januar 2023

Der Bosna-Index für Inflation

Thema: Imbissstände und Prozentrechnung

Dieser Beitrag ist am 27.01.2023 auch im Standard erschienen.
 
Den Balkangrill (besser bekannt als erster Salzburger Bosnastand) gibt es schon seit fast 75 Jahren. Als meine Brüder und ich noch klein waren, sind wir hin und wieder mit unsern Eltern dort gewesen. Ich weiß nicht mehr, wie viel ein Bosna früher in Schilling gekostet hat, glaube aber mich zu erinnern, dass der Stückpreis bei der Einführung des Euro noch bei 2,50 € lag. Mittlerweile ist diese über 20 Jahre her und die Preise sind seitdem gestiegen. Leider habe ich kein Foto aus dem Jahr 2002 gefunden, aber im Jahr 2007 lag der Preis bei 2,70 €. Mittlerweile sind wir bei 4,90 € angekommen und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis sich der ursprüngliche Preis verdoppelt hat.
 
Jänner 2023: Bis zur Verdopplung des ursprünglichen Preises fehlt nicht mehr viel. (Bildquelle: Johannes C. Huber)
 
Ich verwende dieses Fallbeispiel gerne in der Schule beim Thema Prozentrechung zur Veranschaulichung von Inflation. In einer vergangenen Mathematikstunde haben wir, in Anlehnung an den Big Mac-Index, einen eigenen "Bosna-Index" berechnet. Dabei ging es jedoch im Gegensatz dazu nicht darum Preise in verschiedenen Ländern zu vergleichen, sondern darum herauszufinden, ob die Preise des Balkangrills die tatsächliche Inflation verhältnismäßig gut widerspiegeln. Die Grundlage dafür waren Preisschilder auf Fotos des Imbissstandes aus verschiedenen Jahren, die man auf Restarantbewertungsseiten, wie z. B. Tripadvisor oder Foursquare, finden kann:
Preisentwicklung von 2007 bis 2022 (Bildquelle: eigene Darstellung mit Google Tabellen)

In der Unterrichtseinheit haben wir zunächst den absoluten Preisunterschied zwischen 2007 und 2023 berechnet, um den Lernenden vor Augen zu führen, wie stark der Stückpreis seitdem gestiegen ist. Ein Preisunterschied von 2,20 € nach 15 Jahren entspricht einer relativen Preissteigerung von über 80 %. Danach haben wir die Definition von Inflation wiederholt und recherchiert, wie hoch diese im Jahr 2022 war: 8,6 %. Die jährliche Inflation (vorbereitet durch die Lehrkraft ausgehend von Daten der Statistik Austria) über den Zeitraum von 2008 bis 2022 beträgt im Schnitt ungefähr 2,37 %. Nun zum Vergleich: Wie stark wäre der Bosnapreis gestiegen, wenn wir die durchschnittliche Inflationsrate zugrunde legen?

Wir sehen also, dass der Bosnapreis sogar noch viel stärker gestiegen ist. Allerdings müssen wir dabei berücksichtigen, dass wir nur einen allgemeinen Vergleich gemacht haben. Um zu verstehen, was gemeint ist, muss man wissen, wie Inflation gemessen wird. Das geschieht u. a. mithilfe des sogenannten Verbraucherpreisindex, indem die Preise für einen Warenkorb betrachtet werden. Darin befindet sich, vereinfacht gesagt, eine Mischung aus verschiedenen Produkten und Dienstleistungen, die von einem durchschnittlichen Haushalt konsumiert, d. h. "verbraucht" werden. Anschließend werden diese Preise mit einem früheren Zeitpunkt verglichen. Anhand der dadurch ermittelten Preisänderungen kann schließlich die Inflationsrate berechnet werden. 

Gewisse Bestandteile dieses Warenkorbs, wie Lebensmittel, werden jedoch z. B. nicht in die sogenannte Kerninflation miteinberechnet, da sie stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind. Für den Index "Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke" betrug die Inflation im Dezember 2022 beispielsweise 16,1 % und für "Restaurants und Hotels" 12,7 %, während die Gesamtinflation bei 10,2 % lag. Der Bosnapreis wird die Inflation für Lebensmittel und Restaurants also vermutlich besser widerspiegeln als die Inflation für alle Bereiche zusammen.


An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Kai J. Lingnau für wertvollen Input zu ökonomischen Rückfragen!

Johannes C. Huber (findet, dass früher nicht alles besser, aber vieles auf jeden Fall günstiger war)

Quellen: