Samstag, 31. Juli 2021

Die Letzten können die Ersten sein

Thema: Stockerlplätze und Ranglisten

In meiner Freizeit engagiere ich mich seit Jahren ehrenamtlich bei den Pfadfinderinnen und Pfadfindern als Wichtel- und Wölflingsleiter und betreue Kinder im Volksschulalter. Ein klassischer Programmpunkt, den wir gerne im Rahmen unseres Sommerferienlagers durchführen, ist die Lagerolympiade. Wir überlegen uns dafür jedes Mal ein bestimmtes Thema wie z. B. antike olympische Spiele oder schottische Highland Games. Heuer haben wir in Ahnlehnung an den Covid-Stempelpass für Schulen und die olympischen Spiele in Tōkyō eine Ninja-Olympiade mit entsprechenden Stationen veranstaltet. Am Abend gab es dann wie immer eine Ehrung des Siegerinnen und Sieger.

Damit wir wissen, wer bei der jeweiligen Disziplin eine Urkunde und etwas Süßes bekommt, erstelle ich zur besseren Übersicht jedes Mal eine Tabelle. Natürlich müssten wir eigentlich nur im Ranking jeder Station nachschauen, aber ich nutze die Tabelle auch für die Berechnung der Gesamtwertung. Allerdings sind die Teilleistungen sehr vielfältig, weil teilweise die verschiedensten Dinge gemessen werden (Zeiten, Distanzen, Versuche, etc.). Ich habe mir also die Frage gestellt, wie eine Gesamtwertung eigentlich richtig erstellt wird.

Alles richtig gemacht? 

Hier ein kleines Beispiel mit fiktiven Ergebnissen, bei dem für unsere Altersstufe übliche Dschungel- und Waldenlandnamen verwendet wurden:


Beim Hindernisparcour ging es ganz einfach um Schnelligkeit und die Wurfsterne mussten möglichst nahe an ein bestimmtes Ziel geworfen werden. Ein niedriger Wert ist also in beiden Fällen gut. Wenn wir die Kinder anhand ihrer beiden Wertungen auflisten, bekommen wir ohne viel Aufwand die dazugehörenden Platzierungen:

In den vergangenen Jahren habe ich bei der Gesamtwertung einfach für jedes Kind die durchschnittliche Platzierung berechnet (Variante 1). Allerdings ist mir diese Vorgehensweise immer etwas unschön vorgekommen. Deshalb habe ich diesmal die Zahlenwerte jeder Platzierung als Punkte zusammengerechnet (Variante 2). Es läuft zwar in beiden Fällen auf dasselbe hinaus, aber mit der neuen Variante sieht das Ganze zumindest etwas sauberer aus, weil wir ohne Kommazahlen auskommen: 

Was passiert hinter den Kulissen?

Beim Erstellen eines Rankings arbeiten wir mit sogenannten Rangzahlen. Zuerst werden alle Messwerte - wir sagen dazu auch Beobachtungen oder Ausprägungen - der Größe nach geordnet und dann wird ihnen ein entsprechender Rang zugewiesen. Ob die Reihenfolge auf- oder absteigend ist, hängt vom jeweiligen Kontext ab. Hier ist sie beispielsweise aufsteigend. In diesem Fall wird außerdem von einer metrischen auf eine Ordinalskala abgebildet. Dabei bleibt die Reihenfolge zwar erhalten, aber die Abstände zwischen den Messwerten gehen verloren. Wir sehen also z. B. im Ranking nicht mehr, ob die Zeiten für den ersten und zweiten Platz sehr nahe beieinander liegen oder nicht. Solange wir jedoch nur auf die Platzierung schauen, dürfte uns das nicht wirklich stören.

Ein anderes Problem ist, dass der Rang nicht wohldefiniert ist. Es kann also passieren, dass dieselbe Rangzahl mehrmals vergeben wird, weil Messwerte mehrfach vorkommen. Man spricht dann von sogenannten Bindungen (engl. ties) oder Verbundwerten. In der Praxis wird es meist so gelöst, dass wir eine entsprechende Anzahl der darunterliegenden Ränge auslassen. Vielleicht ist jemandem aufgefallen, dass es bei meinem Beispiel zwei zweite Plätze und dafür keinen dritten Platz gibt. Wenn es stattdessen drei zweite Plätze gäbe, würde es im Ranking danach erst mit dem fünften Platz weitergehen und falls alle Kinder dasselbe Ergebnis hätten, würde es sogar ausschließlich erste Plätze geben.

Zeit für eine Praxisanalyse

Nach dem Sommerlager wollte ich mich informieren, wie es in der Praxis gehandhabt wird. Zunächst habe ich mir Sportwettbewerbe mit mehreren Disziplinen angeschaut. Ein typisches Beispiel dafür ist der olympische Zehnkampf. Dabei kommt zwar eine ausgetüftelte Punkteformel zum Einsatz, aber Mehrfachplatzierungen sind auch hier nicht ausgeschlossen. Beim heuer erstmals veranstalteten Kletterwettbewerb Olympic Combined wiederum wurde ein Multiplikator verwendet. Auch hier können zwei Personen dieselbe Punktzahl bekommen, aber falls das passiert, entscheidet die Schnelligkeit.

Danach habe ich mich bei anderen Wettbewerben umgesehen. Ein bestimmtes Ranking kenne ich bereits seit meiner Kindheit: Beim Videospiel Mario Kart wird eine bestimmte Punktzahl für die jeweilige Platzierung vergeben. Im achten Teil der Reihe gibt es beispielsweise für den ersten Platz 15 Punkte, für den zweiten 12 Punkte und ab dem dritten 10 Punkte absteigend bis zum zwölften Platz mit nur mehr einem Punkt. Am Ende eines Grand Prix werden dann die Punkte aller Rennen zusammengezählt. Diese Vorgehensweise ist übrigens an das Punktesystem der Formel 1 angelehnt. Mehrfachplatzierungen sind möglich, aber meines Wissens werden zumindest NPCs hinter von Menschen gesteuerten Figuren platziert.

Fazit

Ich habe kein Patenrezept für Rankings gefunden, aber es gibt durchaus Möglichkeiten gleiche Platzierungen zu vermeiden. Meines Erachtens ist es aber eigentlich egal welches Ermittlungsverfahren man verwendet, solange man weiß, was man tut. Am Ende geht es schließlich nur darum zu wissen, wer einen Stockerlplatz einnimmt und es sieht so aus, als ob meine Vorgehensweise grundsätzlich vertretbar ist. Mehrfachplatzierungen sehe ich hier jedenfalls nicht als Problem (ganz im Gegenteil) und ich freue mich schon auf das nächste Sommerlager.

Johannes C. Huber (verliert schon seit Jahren bei Mario Kart gegen seinen kleinen Bruder)

Quellen: