Samstag, 2. Dezember 2023

Manchmal genügt kein Wink mit dem Zaunpfahl

Thema: Zeitaufgaben und Intervalle

Ich lasse meine Schulklassen gerne selbst Textbeispiele schreiben, weil ich der Meinung bin, dass man viel lernt, wenn man eine Aufgabe im wahrsten Sinne des Wortes von Anfang bis Ende durcharbeitet. Die Kinder müssen dabei nämlich nicht nur einen Aufgabentext formulieren, sondern auch eine Musterlösung, d. h. Rechenweg, Ergebnis und Antwortsatz ausarbeiten. Ein Schüler hatte folgende Idee*:

"Ein Youtuber nimmt ein Video auf, das insgesamt drei Stunden und sechzehn Minuten dauert.
Wie viele Pausen macht er, wenn er die Aufnahme alle vierzehn Minuten unterbricht?"

Diese Aufgabe gefällt mir persönlich sehr gut, weil sie nicht nur Multiplikation und Division vebindet, sondern auch eine kleine Falle in Form eines sogenannten off by one-error beinhaltet, d. h. wir erhalten ein Ergebnis, das um 1 größer oder kleiner ist, als die tatsächliche Lösung. Um die Frage zu beantworten, wandeln wir zunächst die Zeitangabe in Minuten um, indem wie die Anzahl der Stunden mit der Anzahl der Minuten pro Stunde multiplizieren:

3 Stunden + 16 Minuten = 3 ∙ 60 Minuten + 16 Minuten = 180 Minuten + 16 Minuten = 196 Minuten

Als Nächstes teilen wir die Länge des Videos durch jene des Intervalls von einer Pause bis zur nächsten:

196 Minuten : 14 Minuten = 14

Wir würden also zu dem Schluss kommen, dass er insgesamt vierzehn Pausen macht, aber insofern wir das Ende des Videos nicht ebenfalls als Pause zählen, ist das leider falsch, wie wir hier nachprüfen können:


Es liegen nur dreizehn echte Pausen dazwischen. (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Ich habe die Aufgabe in einer Unterrichtsstunde besprochen und dabei versucht, den Kindern diesen Denkfehler in Form eines typischen Schultages mit insgesamt sechs Unterrichtsstunden zu veranschaulichen. Die Länge der Pausen dazwischen ist zwar nicht einheitlich geregelt, aber eine Unterrichtseinheit entspricht meist 50 Minuten.

Wir können also einfach die gesamte Unterrichtszeit aufsummieren und das Ergebnis durch 50 Minuten teilen, um auf die vermeintliche Anzahl der Pausen zu kommen. Den Kindern wird dann jedoch relativ schnell klar, dass sie an einem solchen Schultag eben nicht sechs, sondern nur fünf Pausen haben. Der Vorteil dieser Herangehensweise ist, dass sie das auch auf ihrem Stundenplan nachzählen können, um sich selbst davon zu überzeugen. Doch was ist hier schiefgelaufen?

Das Problem hängt damit zusammen, dass wir nur ausgerechnet haben, wie viele Unterrichtseinheiten in die gesamte Unterrichtszeit hineinpassen (was wir eigentlich schon von Beginn an wussten) und nicht, wie viele Pausen dazwischen liegen. Es gibt nämlich einen Unterschied zwischen Intervalllängen und -grenzen bzw. zwischen Elementen in einer Reihe und den Abständen dazwischen.

Ein typisches Beispiel, das ebenfalls einen solchen off by one-error erzeugt, ist die Frage, wie viele Zaunpfähle wir für einen Zaun mit vorgegebener Länge benötigen, wobei wir wissen, wie lange ein Stück Zaun zwischen zwei Pfählen ist. Auch hier würden wir die Zaunlänge durch die Anzahl der Stücke teilen, aber in diesem Fall ist das Ergebnis um eins zu wenig, weil wir einen zusätzlichen Zaunpfahl am Ende benötigen (es sei denn wir haben einen in sich geschlossenen Zaun). Deshalb wird diese Art von Fehler auch als Zaunpfahlfehler bezeichnet.

Johannes C. Huber (wäre froh, wenn er nach jeder Unterrichtsstunde eine Pause machen könnte)

* Ich habe den Angabentext ein wenig abgeändert.