Sonntag, 30. April 2023

Wo ist jetzt die letzte Million geblieben?

Thema: Bankgeschäfte und Bilanzen

Ich arbeite in meinen Mathematikstunden gerne mit Rästelaufgaben. Ein klassisches solches Rätsel zum Thema Rechenfehler hat mit einer Gasthausrechnung zu tun: 

Drei Stammgäste besuchen gemeinsam ihr Lieblingsrestaurant. Genau zehn Euro muss jeder von ihnen bezahlen. Jeder hat jeweils nur einen Zehner einstecken und so geben sie dem Kellner 30 Euro. "Trinkgeld gibt's beim nächsten Mal", erklären die Drei und verlassen das Lokal. Kurz danach kommt der Inhaber des Restaurants zur Tür hinein und fragt den Kellner, wo die drei Stammgäste geblieben sind. Der Kellner berichtet von der soeben beglichenen 30-Euro-Rechnung, worauf sein Chef ihn bittet, den drei Gästen schnell noch fünf Euro auszuzahlen. "Die hatten nämlich noch einen gut bei mir", sagt der Inhaber. Der Kellner verlässt das Restaurant und erwischt die drei eine Straßenecke weiter. Der Mann überlegt sich, dass sich fünf Euro schlecht auf drei Personen aufteilen lassen und beschließt, einfach jedem Gast je einen Euro zu geben und zwei Euro als Trinkgeld zu behalten.  Damit hatte jeder Gast neun Euro bezahlt, macht zusammen 27 Euro. Addiert man die zwei Euro hinzu, die sich der Kellner eingesteckt hat, kommt man auf 29 Euro. Ursprünglich hatten die drei Gäste jedoch 30 Euro bezahlt. Wo ist der fehlende Euro geblieben? (Quelle: Der Spiegel)

Es gibt davon unterschiedliche Varianten, bei denen die Geschichte mal mehr und mal weniger umfangreich ist. In einer Version von Spektrum der Wissenschaft ist beispielsweise der zu zahlende Betrag doppelt so groß, doch auch in diesem Fall bleibt der Fehler gleich. Wer an einer Lösung interessiert ist, wird nach einer kurzen Internetrecherche schnell fündig.

In diesem Beitrag geht es allerdings um einen anderen Zahlenschwindel, zu dem ich, abgesehen von den Kommentaren unter dem Video, noch keine ausführliche Auflösung im Internet gefunden habe. Die österreichische Kabarett-Gruppe maschek. hat sich nämlich vor vielen Jahren etwas Ähnliches für ihren Beitrag zu den Bankgeschäften von Karl-Heinz Grasser überlegt:


maschek - Bankgeschäfte (Quelle: Youtube)

Die Kurzversion: Wir bekommen fünfzehn Millionen Euro von drei Investoren, wobei jeder von ihnen einen gleich großen Anteil, also fünf Millionen, beisteuert. Anschließend stellt sich heraus, dass nur zehn Millionen benötigt werden, weshalb fünf Millionen übrig bleiben. Da diese nicht restlos auf drei Personen aufgeteilt werden können, bekommt jeder Investor nur eine Million zurück und die restlichen zwei Millionen werden in einen Fonds eingezahlt. Am Ende wird folgende Rechnung aufgestellt:

                           2 Mio.
5 Mio. - 1 Mio. = 4 Mio.
5 Mio. - 1 Mio. = 4 Mio.
5 Mio. - 1 Mio. = 4 Mio.
15 Mio.                14 Mio.  

Man muss freilich kein Genie sein, um die vermeintlich verschwundene Million wiederzufinden. Falls jemand nicht von selbst auf eine Lösung kommt, habe ich hier ein paar Erklärungen aufgelistet:

1) Gesamtsumme: Wir können uns davon überzeugen, dass sich die Geldmenge zu keinem Zeitpunkt verändert, indem wir uns bei jedem Schritt anschauen, wie die fünfzehn Millionen Euro zusammengesetzt sind. Zuerst ist das ganze Geld bei den Investoren und anschließend beim Projekt. Als Nächstes verbleiben zehn Millionen beim Projekt und fünf liegen in der Schwebe. Im letzten Schritt sind nach wie vor zehn Millionen beim Projekt, während drei an die Investoren zurückgehen und zwei im Fonds landen.

2) Umkehrrechung: Der Schwindel fliegt ebenso auf, wenn wir uns vor Augen führen, welche Geldbeträge am Ende tatsächlich nicht mehr bei den Investoren sind. Sowohl die zehn Millionen für das Projekt, als auch die zwei Millionen im Fonds sind Ausgaben von in Summe zwölf Millionen. Das Problem ist also, dass die zwei Millionen bereits in den zwölf enthalten sind und stattdessen die drei zurückgegebenen dazu gezählt werden müssten, um auf die ursprünglichen fünfzehn zu kommen.

3) rationale Zahlen: Der Fehler zeigt sich auch, wenn wir darauf achten, wie viel Geld von jedem Investor zufließt. Die vier Millionen Euro pro Person decken schließlich nicht nur das Projekt ab, denn zehn geteilt durch drei alleine ergibt eine unendlich periodische Zahl (3,333....). Sie beinhalten außerdem zusammen noch die zwei Millionen im Fonds. Dadurch kommen wir ebenfalls zu dem Schluss, dass diese unrichtigerweise erneut addiert werden.

Johannes C. Huber (wählt, je nach Stoffgebiet, unterschiedliche Erklärungsansätze aus)