Sonntag, 5. Februar 2023

So unterschiedlich wie Sonne und Mond

Thema: Kalender und Teilbarkeit

Dieser Beitrag ist am 10.02.2023 auch im Standard erschienen.

Seit dem Beginn der Menschheit hat es etliche Kalendersysteme gegeben. Die meisten davon richten sich nach beobachtbaren Himmelserscheinungen, wie der Sonne oder dem Mond. Im Laufe der Zeit wurde immer wieder versucht einen Kalender zu entwerfen, der beide Gestirne gleichermaßen berücksichtigt, aber das gestaltet sich leider schwierig, wie wir in weiterer Folge ergründen werden.

Lunarkalender orientieren sich am Mond (Bildquelle: Pixabay)

Lunarkalender basieren auf Mondjahren, die in der Regel aus insgesamt zwölf Mondzyklen bestehen. Das ist jene Zeitspanne, in der die Mondphasen von einem Neumond bis zum nächsten durchlaufen werden. Ein (synodischer) Mondmonat dauert ca. 29,53 Tage. Diese Zeit schwankt allerdings ein wenig, weshalb abwechselnd hohle Mondmonate mit 29 Tagen und volle mit 30 Tagen verwendet werden. Dadurch ist ein Mondjahr normalerweise insgesamt 354 Tage lang. Mondkalender werden beispielsweise im Islam verwendet. Ein Problem des Mondjahres ist jedoch, dass sich viele Dinge, wie z. B. die Jahreszeiten nach und nach verschieben. Das ist auch der Grund, warum der Ramadan jedes Jahr zu einem anderen Zeitpunkt beginnt.


Solarkalender orientieren sich an der Sonne (Bildquelle: Pixabay)

Solarkalender hingegen, wie beispielsweise der weltweit verbreitete gregorianische Kalender, arbeiten mit der relativen Position der Sonne von der Erde aus gesehen zu den Sternen. Da sich unser Heimatplanet um die Sonne dreht, verändert sich auch das beobachtbare Sternbild im Laufe des Jahres. Ein (tropisches) Sonnenjahr dauert ungefähr 365,24 Tage. Da ein Kalender aber normalerweise nur ganze Tage beinhaltet, ist das sogenannte Gemeinjahr in der Regel 365 Tage lang und somit eigentlich ein bisschen zu kurz. Deshalb ist jedes durch vier teilbare Jahr ein Schaltjahr*, in dem ein zusätzlicher Tag am 29. Februar eingeschoben wird, um diesen Rückstand wieder auszugleichen. Der Grund dafür ist übrigens, dass der Februar im vorangehenden System - dem julianischen Kalender - der letzte Monat war.

Leider gibt es keine Möglichkeit, diese beiden unterschiedlichen Herangehensweisen ohne Weiteres in einem System zu vereinen. Wir finden nämlich schlichtweg keine Kombination hohler und voller Mondmonate, bei der nicht entweder mehrere Tage auf das Sonnenjahr fehlen oder zu viel sind. Der Grund dafür hängt, vereinfacht gesagt, mit der Teilbarkeit der beiden Umlaufzeiten zusammen: Fast alle Primteiler der Mondmonate sind keine Primteiler des Sonnenjahres. Die Zahl 29 ist bereits eine Primzahl und die Zahl 30 hat die Primteiler 2, 3 und 5 (2 ∙ 3 ∙ 5 = 30). Die Zahl 365 hat jedoch nur die beiden Primteiler 5 und 73 (5 ∙ 73 = 365). Der einzige Faktor, der beide Male vorkommt, ist die Zahl 5. In anderen Worten: Die Bausteine der Mondmonate sind großteils andere als jene für ein Sonnenjahr, weshalb sie nicht restlos in dieses hineinpassen.

Ein Weg, um Mondmonate trotzdem vollständig in Sonnenjahren unterzubringen, wäre also stattdessen einen längeren Zeitraum festzulegen, welcher ein Vielfaches der beiden Umlaufzeiten darstellt. Die kürzeste Zeitspanne (das kleinste gemeinsame Vielfache) für ausschließlich hohle Mondmonate wären beispielsweise ganze 29 Sonnenjahre. Bei vollen Mondmonaten wären es zwar nur 2 ∙ 3 = 6 Jahre, aber da ein durchschnittlicher Mondmonat nun einmal keine ganzzahlige Länge hat, kommt noch die Notwendigkeit hinzu, beide Varianten zu kombinieren. Im antiken Griechenland wurde dafür ein Zeitraum von 19 Sonnenjahren (davon 12 Jahre mit 12 Monaten und 7 Jahre mit 13 Monaten) vorgeschlagen, welcher aus 235 Mondmonaten (davon 110 hohle und 125 volle) mit insgesamt 6940 Tagen zusammengesetzt ist.

Dieses Modell wurde im Laufe der Zeit noch weiter verfeinert und die daraus resultierende Kompromisslösung sind sogenannte Lunisolarkalender. Diese arbeiten nicht gegen das Problem des Restbetrags, sondern schieben ihn einfach in regelmäßigen Abständen ein, um den Zeitunterschied wieder auszugleichen. Beim jüdischen Kalender geschieht das z. B. in den Jahren 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 in Form eines zusätzlichen dreizehnten Schaltmonats. Es gibt noch viele weitere Varianten, doch in der Regel wird auch hier mit Schaltzeiten gearbeitet. Allerdings mit dem Unterschied, dass es in diesem Fall nicht um die Differenz zwischen tatsächlichem Sonnen- und ganzzahligem Kalenderjahr, sondern um jene zwischen Sonnen- und Mondjahr geht.

Johannes C. Huber (ist froh über unsere vergleichsweise einfache Schaltzeitberechnung)

* jedes durch 100 teilbare Jahr ist ausgenommen (abgesehen von allen durch 400 teilbaren Jahren)

Quellen:

  • Vogtherr T. (2001): Zeitrechnung. Von den Sumerern bis zur Swatch.