Samstag, 31. Dezember 2022

Wie gut hat der Schachweltmeister abgeschnitten?

Thema: Schachturniere und Gleichungssysteme

Dieser Beitrag ist am 13.01.2023 auch im Standard erschienen.

Der  Norweger Magnus Carlsen ist seit Ende dieses Jahres Weltmeister aller drei großen Schachdisziplinen (klassisches Schach, Schnellschach und Blitzschach). In einem Standard-Artikel wird näher darauf eingangen, wie gut der amtierende Weltmeister bei der Blitzschach-WM abgeschnitten hat. Da ich selbst kein großer Schachfan bin, kann ich darüber wenig sagen,  aber ich habe mich gefragt, ob ich anhand der erwähnten Informationen ermitteln kann, wie seine Spiele ausgegangen sind.

Resultat des technischen Werkunterrichts als Symbolbild (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Um zu verstehen, wie die Gesamtpunktzahl zustande kommt, reicht es aus zu wissen, wie viel Punkte es für die verschiedenen Ausgänge eines Spiels gibt. Für einen Sieg erhält man einen Punkt und für ein Remis (Unentschieden) einen halben.  Wir wissen, dass er Runde 1 bis 5 sowie Runde 17 bis 21 gewonnen hat. Außerdem sind mindestens fünf seiner Spiele unentschieden ausgegangen (Runde 8 bis 12) und er hat mindestens zweimal verloren (in Runde 15 gegen Nepomnjaschtschi und in Runde 16 gegen Sarana).

Nach dem ersten Tag lag er einen Punkt hinter seinem Konkurrenten Nakamura und hat demnach insgesamt 9 Punkte erzielt. Wir wissen über den Ausgang von zehn der zwölf Spiele Bescheid: fünf Siege und fünf Remisen ergibt 7,5 Punkte. Also bleibt nur eine Möglichkeit: Eines der beiden verbleibenden Spiele muss unentschieden ausgegangen sein und das andere hat er gewonnen. Im Artikel wird erwähnt, dass er das Turnier mit fünf Siegen en suite begonnen hat. Dementsprechend müsste Runde 6 ein Remis und Runde 7 ein weiterer Sieg gewesen sein.

Nun zum zweiten Spieltag. Wir wissen über den Ausgang von sieben der verbleibenden neun Spiele Bescheid: fünf Siege und zwei Niederlagen ergibt 5 Punkte. Demnach muss er die beiden verbleibenden Spiele ebenfalls gewonnen haben, um insgesamt auf 16 Punkte zu kommen. Er hat also 13 Punkte durch 13 Siege und 3 Punkte durch 6 Remisen erzielt. Ein kurzer Vergleich mit den tatsächlichen Resultaten bestätigt unsere Vermutung.

Können wir die Ausgänge der Spiele (ohne die tatsächliche Reihenfolge) auch ermitteln, wenn wir nur die Anzahl der Spiele und die Gesamtpunktzahl kennen? Die Antwort ist einfach: Leider nicht. Wir können zwar ein Gleichungssystem für die Anzahl der Punkte und eines für die Anzahl der Spiele aufstellen. Allerdings dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es bei den Punkten auch einen dritten möglichen Ausgang gibt, und zwar 0 Punkte für eine Niederlage zu bekommen. In diesem Fall steht x für die Anzahl der Siege, y für die der Remisen und z für die der Niederlagen:


Wir haben also drei Unbekannte, aber nur zwei Gleichungen und können deshalb keine eindeutige Lösung finden. Eine allgemeine Lösung der beiden Gleichungssysteme lautet wie folgt:

Da uns nur positive ganzzahlige Lösungen interessieren, sind folgende Spielbilanzen möglich:

  • 16 Siege, 0 Remisen, 5 Niederlagen
  • 15 Siege, 2 Remisen, 4 Niederlagen
  • 14 Siege, 4 Remisen, 3 Niederlagen
  • 13 Siege, 6 Remisen, 2 Niederlagen
  • 12 Siege, 8 Remisen, 1 Niederlagen
  • 11 Siege, 10 Remisen, 0 Niederlagen
Ohne zusätzliche Informationen (im Idealfall die Anzahl der Niederlagen) können wir also im Allgemeinen nicht eindeutig feststellen, wie alle Spiele ausgegangen sind. Wir hätten aber immerhin herausgefunden, dass er auf jeden Fall die Mehrheit davon gewonnen hat.*

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für wertvollen Input von Michael H.!

Johannes C. Huber (beschäftigt sich lieber mit schachmathematischen Aufgaben als selbst zu spielen)

* Wir könnten die Möglichkeiten noch weiter eingrenzen, wenn wir berücksichtigen, welche davon in Kombination mit den Spielbilanzen aller anderen Spieler möglich wären.

Donnerstag, 24. November 2022

Fundamentale Formeln (Fortsetzung)

Thema: Kartenhäuser und Formeln

In meinem letzten Beitrag habe ich eine rekursive Formel für den Bau eines Kartenhauses vorgestellt, der am 22.11.2022 auch im Standard erschienen ist. Leider ist mir beim Aufschreiben der Formel ein Fehler passiert, da ich zwei verschiedene Sichtweisen miteinander vermischt habe. Ich habe ursprünglich geschrieben \(k(n+1) = k(n) + n - 1 + 2n = k(n) + 3n - 1\) und damit "Anzahl der Karten jetzt = Anzahl der Karten vorher + Anzahl der Stockwerke jetzt minus 1 + zwei mal Anzahl der Stockwerke jetzt" gemeint. Allerdings hätte ich besser darauf achten müssen, welches Stockwerk ich meine, weil meine falsche Formel stattdessen "Anzahl der Karten jetzt = Anzahl der Karten vorher + Anzahl der Stockwerke vorher minus 1 + zwei mal Anzahl der Stockwerke vorher" bedeutet, was nicht stimmt. Glücklicherweise hat mich jemand in einem Forenkommentar gleich darauf aufmerksam gemacht.

Ein positiver Nebeneffekt der ganzen Sache ist, dass die richtige Formel für \((n+1)\) Stockwerke ebenfalls schön veranschaulicht werden kann. Dafür bauen wir das Kartenhaus nicht nach unten, sondern seitlich weiter, was, im Gegensatz zu meiner ursprünglichen Überlegung, tatsächlich praktisch durchführbar ist. Auch in diesem Fall sollte klar sein, dass die bisher benötigten Karten im größeren Haus enthalten sein müssen, weil das jeweils kleinere Haus einen seitlichen Anbau bekommt. Im nächsten Schritt brauchen wir dreimal so viele Karten wie die Anzahl der Stockwerke zuvor für die zusätzlichen Zimmer mit Boden auf der Seite. Zum Schluss kommen jedes Mal noch zwei Karten für die beiden Wände des neuen untersten Zimmers ohne Boden dazu.

Wenn wir also beispielsweise ein viertes Stockwerk dazu bauen, brauchen wir einerseits die fünfzehn Karten für ein dreistöckiges Haus (orange) und andererseits drei mal drei, also neun Karten für die neuen Zimmer mit Boden im Anbau (magenta) sowie zwei Karten für das Zimmer ohne Boden (cyan):

vierstöckiges Kartenhaus (Bildquelle: eigene Darstellung mit Gimp)

Insgesamt brauchen wir 15 + 9 + 2 = 26 Karten. Wir kommen also auf dasselbe Ergebnis, auch wenn die Rechenbausteine anders zustandekommen. Nun fassen wir wieder unsere drei Beobachtungen zusammen. Die Anzahl der Karten für ein Kartenhaus mit einem weiteren Stockwerk beinhaltet:

  1. die Anzahl der Karten für das bisher gebaute Haus
  2. die bisherige Anzahl der Stockwerke mal drei für die zusätzlichen Zimmer mit Boden
  3. zwei Karten für das zusätzliche Zimmer ohne Boden

Mit diesen Bausteinen basteln wir uns eine weitere rekursive Formel:

Karten insgesamt = Karten vorher + Stockwerke vorher ⋅ 3 + 2

Um das ein wenig abzukürzen, nennen wir die Anzahl der Karten \(k\) und die Anzahl der Stockwerke \(n\). Für das jeweils nächste Stockwerk schreiben wir nun allgemein auf:

\(k(n+1) = k(n) + 3n + 2\)

Die Glieder der dadurch entstehenden Folge \(k(n)\) (mit \(k(0) = 0\)) sind ebenfalls die sogenannten Pentagonalzahlen (Fünfeckszahlen) der zweiten Art bzw. Kartenhauszahlen.

An dieser Stelle ein großes Dankeschön für wertvollen Input von meinem Redakteur Tizian Rupp, Stefan und Standard-Forum-User "maohl"!

Johannes C. Huber (wird in Zukunft beim Übergang von der Angabe zum Rechenweg besser aufpassen)

Quellen:

  • Matroid (2002): Pentagon, Kartenhaus und Summenzerlegung; In: Wohlgemuth M. (Hrsg.) (2010): Mathematik für fortgeschrittene Anfänger, S. 177-182; auch online verfügbar (zuletzt aufgerufen am 19.11.2022)

Mittwoch, 23. November 2022

Fundamentale Formeln

Thema: Kartenhäuser und Formeln

Dieser Beitrag ist am 22.11.2022 auch im Standard erschienen.

Um meine Schüler*innen mit Funktionsformeln vertraut zu machen, habe ich eine Stunde geplant, in der sie selbst eine Formel finden und aufschreiben sollen. Wir brauchen dafür im Grunde nur Schreibzeug, Papier und ein Kartendeck, aber ein Stapel rechteckiger Bierdeckel eignet sich ebenso.

 
der Autor im Selbstversuch (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Ein einstöckiges Kartenhaus stellt eine Art freistehendes Dach dar und besteht aus nur zwei Karten:


einstöckiges Kartenhaus
(Bildquelle: eigene Darstellung mit Gimp)

Jetzt stellen wir uns vor, dass wir das Haus von oben nach unten erweitern. In der Praxis gestaltet sich das schwierig, weil wir ja eigentlich in die Höhe bauen, aber für unsere weiteren Überlegungen ist diese Herangehensweise durchaus sinnvoll. Für das nächste Stockwerk brauchen wir insgesamt fünf weitere Karten. Vier davon sind für die Wände und die verbleibende wird zum Boden für das darüberliegende Stockwerk:


zweistöckiges Kartenhaus
(Bildquelle: eigene Darstellung mit Gimp)

Für das dritte Stockwerk kommen sechs Karten für die Wände sowie zwei für den nächsten Boden dazu:

dreistöckiges Kartenhaus (Bildquelle: eigene Darstellung mit Gimp)

Uns fällt auf, dass alle "Zimmer" in unserem Kartenhaus nach oben ausgerichtete Dreiecke sind. Wenn wir weiter so vorgehen, erkennen wir womöglich irgendwann ein Muster. Zunächst einmal ist klar, dass die bisher benötigten Karten auch im größeren Haus enthalten sein müssen, weil das kleinere Haus gewissermaßen in das Dach des nächsthöheren wandert. Im nächsten Schritt brauchen wir um eine Karte weniger als die aktuelle Anzahl der Stockwerke, um die Zimmerböden des zuvor untersten Stockwerks einzuziehen. Zum Schluss kommen jedes Mal noch doppelt so viele Karten, wie die Anzahl der Stockwerke für die neuen Wände dazu, weil wir stets zwei davon für ein Zimmer ohne Boden brauchen. Wenn wir also beispielsweise ein viertes Stockwerk dazu bauen, brauchen wir einerseits die fünfzehn Karten für ein dreistöckiges Haus (orange) und andererseits vier minus eins, also drei Karten für die nächsten Böden (blau) sowie zwei mal vier, also acht Karten für die Wände (grün):


vierstöckiges Kartenhaus (Bildquelle: eigene Darstellung mit Gimp)

Insgesamt brauchen wir also 15 + 3 + 8 = 26 Karten. Das sieht schon verdächtig nach einer Formel aus. Nun fassen wir unsere drei Beobachtungen zusammen. Die Anzahl der Karten für ein Kartenhaus mit einem weiteren Stockwerk beinhaltet folgende Elemente:

  1. die Anzahl der Karten für ein Haus mit einem Stockwerk weniger
  2. die aktuelle Anzahl der Stockwerke minus 1 für die zusätzlichen Böden
  3. zweimal die aktuelle Anzahl der Stockwerke für die zusätzlichen Wände

Mit diesen Bausteinen basteln wir uns eine rekursive Formel:

Karten insgesamt = Karten zuvor + Stockwerke - 1 + 2 \(\cdot\) Stockwerke

Um das ein wenig abzukürzen, nennen wir die Anzahl der Karten \(k\) und die Anzahl der Stockwerke \(n\). Für das jeweils nächste Stockwerk schreiben wir nun allgemein auf:

\(k(n) = k(n-1) + n - 1 + 2n = k(n-1) + 3n - 1\)

Die Glieder der dadurch entstehenden Folge \(k(n)\) (mit \(k(0) = 0\)) sind die sogenannten Pentagonalzahlen (Fünfeckszahlen) der zweiten Art und werden passenderweise auch Kartenhauszahlen genannt.

Fragen wie diese können den Lernenden als Ansporn für das Ermitteln der Formel gestellt werden:

  • Wie hoch ist ein Kartenhaus, das aus hundert Karten besteht?
  • Wie viele Karten brauchen wir für ein zehnstöckiges Kartenhaus?
  • Wie viele zusätzliche Karten brauchen wir, um aus einem zehnstöckigen Kartenhaus ein elfstöckiges zu machen?
  • Wie hoch können wir ein Kartenhaus bauen, wenn wir ein Spielkartendeck zur Verfügung haben?
  • Wie viele Decks brauchen wir für ein fünfzehnstöckiges Kartenhaus und wie viele Karten bleiben übrig?
  • Wie viele Stockwerke hat ein Kartenhaus, sodass keine Karten übrigbleiben, wenn wir nur ganze Decks verbauen möchten?

Johannes C. Huber (hat bereits erfolgreich ein siebenstöckiges Kartenhaus gebaut)

PS: Eine Möglichkeit der Binnendifferenzierung für Lernende, die eine kleine Hilfestellung benötigen, sind Kartenhäuser, bei denen ausnahmslos jedes Stockwerk - also auch das Erdgeschoß - einen Boden hat:

Die Anzahl der Karten lässt sich in diesem Fall wesentlich einfacher ermitteln, weil wir dafür nur die "Zimmer" des Kartenhauses zählen und dann ihre Anzahl verdreifachen müssen. Die nach unten ausgerichteten Dreiecke dürfen wir nicht zählen, weil sonst alle Innenwände doppelt vorkommen würden. Um damit auf eine Formel für das Kartenhaus zu kommen, müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir die jeweils unterste Bodenschicht abziehen können.

Quellen:

  • Matroid (2002): Pentagon, Kartenhaus und Summenzerlegung; In: Wohlgemuth M. (Hrsg.) (2010): Mathematik für fortgeschrittene Anfänger, S. 177-182; auch online verfügbar (zuletzt aufgerufen am 19.11.2022)

Dienstag, 1. November 2022

Wo bleibt mein Klimabonus?

Thema: Einmalzahlungen und Gleichungssysteme/Erwartungswerte

Dieser Beitrag ist am 31.10.2022 auch im Standard erschienen.

Der sogenannte Klimabonus ist eine finanzielle Maßnahme der Regierung, die aus den Einnahmen der CO2-Abgabe finanziert wird und wurde heuer an alle Menschen ausbezahlt, die 2022 für mindestens 6 Monate ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten. Dem Großteil der Bevölkerung wurde der Betrag von 500 Euro direkt aufs Konto überwiesen, während er dem Rest in Form von Sodexo-Gutscheinen per Post zugestellt wurde:

Screenshot der Infowebseite vom 15.10.2022

Wie viele bekommen die Hälfte?

Kinder und Jugendliche erhalten jedoch nur 250 Euro. Um herauszufinden wie viele das sind, können wir ein Gleichungssystem mit x für Erwachsene und y für Kinder und Jugendliche aufstellen. Wir wissen, dass es 1.) zusammen insgesamt 8.683.856 Personen sind und 2.) insgesamt 3.987.017.000 Euro ausbezahlt wurden:

Es müssten also 1.419.644 Kinder und Jugendliche sowie 7.264.212 Erwachsene sein.

Wann haben alle den Klimabonus?

Der Geschäftsführer des für die Auszahlungen zuständigen Unternehmens hat behauptet, dass jeden Tag 300.000 Überweisungen durchgeführt werden und die Abwicklung aller Zahlungen deshalb 25 Tage dauern wird. Wenn wir die Anzahl der Leute durch die angegebene Anzahl an Transaktionen pro Tag teilen, kommen wir tatsächlich auf ungefähr 25 Tage:

Da viele Leute (mich selbst eingeschlossen) ihr Geld allerdings erst nach dem 25. September überwiesen bekommen haben, gehe ich davon aus, dass damit Werktage gemeint sind. Das würde insofern auch Sinn ergeben, dass Wochenenden und Feiertage keine Bankarbeitstage sind. Demnach wäre der letztmögliche Tag der 05. Oktober, was auch mit der Behauptung die Zahlungen werden in der ersten Oktoberwoche abgeschlossen sein zusammenpassen würde.

Allerdings bekam eine zufällig ausgewählte Gruppe von 300.000 Personen für die Pilotphase bereits Ende August ihr Geld. Dadurch schrumpft die Menge der Leute und das Datum verschiebt sich eigentlich auf den 04. Oktober nach vorne. Nichtsdestotrotz kann es sein, dass die letzten Überweisungen vor Ablauf der angekündigten Zeitspanne in die Wege geleitet wurden, auch wenn das Geld dann noch nicht auf allen Konten angekommen ist. Somit wäre die Aussage also grundsätzlich nicht als falsch zu werten.

Wie lange wird gewartet?

Um zu klären, wie lange man durchschnittlich auf den Erhalt des Klimabonus warten muss, berechnen wir den Erwartungswert. Das entsprechende Ereignis ist der Tag, an dem das Geld da ist. Wir gehen davon aus, dass jede Person die gleiche Wahrscheinlichkeit hat ausgewählt zu werden (in Wirklichkeit hängt die Reihenfolge davon ab, wie schnell die Daten übermittelt wurden). Diese erhalten wir, indem wir die Anzahl der Transaktionen (günstige Fälle) durch die Anzahl der Grundgesamtheit (mögliche Fälle) dividieren. Doch bevor wir das tun, runden wir die Grundgesamtheit auf ungefähr 7,5 Millionen, um den Rechenweg zu vereinfachen. 

Nun berechnen wir die Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Tage. Dabei fällt uns auf, dass sich die Zähler und Nenner jeweils gegenseitig aufheben, da die Grundgesamtheit ja mit jedem weiteren Tag schrumpft bis alle ihr Geld bekommen haben: 

Nun haben wir alles beisammen, um den Erwartungswert zu berechnen:

Wir müssen im Schnitt also 13 Tage oder – in anderen Worten – etwa die Hälfte der veranschlagten Bearbeitungszeit warten, bis wir unser Geld bekommen. Wenn wir uns das Ganze anders überlegen, ist es nicht weiter verwunderlich, da die eine Hälfte der Bevölkerung ihr Geld vor und die andere nach der Hälfte der Zeit bekommt. Im Schnitt ist die Wartezeit dann klarerweise die Hälfte.

Johannes C. Huber (hat mittlerweile auch seinen Klimabonus erhalten)

Quellen:

Sonntag, 2. Oktober 2022

Mehr Brutto vom Netto

Thema: Mindestlohn und Gleichungen

Vor Kurzem wurde im Standard diskutiert, ob ein Mindestlohn, ähnlich wie in Deutschland, auch bei uns sinnvoll wäre oder nicht. Dieser wurde in unserem Nachbarland nämlich beginnend mit 1. Oktober 2022 von 9,60 € auf 12,00 € pro Stunde angehoben. Auf Österreich umgemünzt würde das bedeuten, dass der Mindestlohn ungefähr 10,29 € pro Stunde betragen müsste. So weit, so gut, aber warum wäre ein (halbwegs) gleichwertiger Mindestlohn bei uns weniger und wie kommt man überhaupt auf die etwas mehr als 10 € pro Stunde? Das hängt, wie bereits im Artikel erwähnt, mit der Anzahl der Gehälter pro Jahr zusammen. Wir können das Ganze auch ganz einfach selbst nachrechnen. Hier die Hard Facts.

  • Deutschland:
    • Mindestlohn: 12,00 € pro Stunde brutto
    • Anzahl der Gehälter pro Jahr: 12
  • Österreich:
    • Mindestlohn: ~10,29 € pro Stunde brutto
    • Anzahl der Gehälter pro Jahr: 14

Wir gehen nun von einer Vollzeitstelle aus, d. h. 40 Stunden Arbeit pro Woche. Hochgerechnet mit dem bei uns üblichen Faktor 4,33 sind das pro Monat etwas mehr als 173 Stunden. Damit kommen wir in etwa auf das, von der deutschen Bundesregierung angegebene, Gehalt von 2080,00 € pro Monat und somit ca. 24.960,00 € pro Jahr. Um nun einen Vergleich anzustellen, müssten wir nur dieses Jahresgehalt der Reihe nach durch die Faktoren dividieren. Da allerdings der einzige Unterschied die Anzahl der Gehälter pro Jahr sind, reicht es vollkommen aus den Stundenlohn mal 12 zu rechnen und das Ergebnis durch 14 zu teilen:

Und siehe da: es stimmt tatsächlich. Allerdings wurde natürlich noch nicht berücksichtigt, welche Unterschiede es in weiterer Folge beim Nettojahresgehalt gibt.

Johannes C. Huber (freut sich auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld)

Quellen:

Dienstag, 20. September 2022

Nach dem Alter fragt man nicht

Thema: Altersrätsel und Gleichungssysteme

Als ich im vergangenen Schuljahr mit meinen vierten Klassen das Thema Gleichungssysteme behandelt habe, waren bei den Aufgabenstellungen auch verschiedene Rätselfragen, wie z. B. diese dabei:

"Der Vater ist um 25 Jahre älter als der Sohn.
In 5 Jahren wird der Vater viermal so alt sein wie der Sohn."

Wir sollen also herausfinden, wie alt die beiden sind. Dabei steht weniger das Lösen des Gleichungssystems, als das mathematische Modellieren im Vordergrund. Die meisten Lernenden werden dazu vermutlich die Angabe wortgetreu in zwei Gleichungen übersetzen:

Wichtig ist dabei darauf zu achten, dass für die Zukunft fünf Jahre addiert werden müssen. Sobald wir diesen Arbeitsschritt gemacht haben, ist das Ermitteln der beiden Unbekannten für Geübte nur noch eine Fingerübung. Es gibt aber noch zumindest drei andere Möglichkeiten um ein Gleichungssystem aufzustellen. Zunächst einmal können wir statt dem Sohn genauso gut den Vater als Ausgangsgröße verwenden:

Dazu haben wir eigentlich nur die beiden vorigen Gleichungen umgeformt. Wer sich mit Brüchen schwer tut, wird diese Variante jedoch eher nicht bevorzugen. Abgesehen davon können wir statt der Gegenwart zuerst die Zukunft betrachten:

Und auch hier können wir wieder die beiden Gleichungen umformen:

Es ist also keine Frage des Alters, sondern vielmehr eine Frage der Bezugspunkte.

Johannes C. Huber (ist mittlerweile halb so alt wie sein Vater)

Quellen:

  • Mach mit! Mathematik 4 Aufgabe S. 148 Aufgabe 1168

Dienstag, 30. August 2022

Trainingsstufen einmal anders beleuchtet

Thema: Fitnesstracker und Zahlenfolgen

Disclaimer: Es handelt sich bei diesem Beitrag NICHT um Werbung.

Ich besitze seit Längerem eine Sportuhr von Garmin und tracke damit regelmäßig meine Fitness-Aktivitäten. Auf der zugehörigen Plattform Garmin Connect kann man sogenannte Errungenschaften freischalten, indem man z. B. eine bestimmte Anzahl von Aktivitäten abschließt, Ziele erreicht oder Herausforderungen schafft. Sobald man eine gewisse Anzahl von Punkten gesammelt hat, steigt man eine Stufe auf:

beispielhafter Punktestand des Autors (Bildquelle: Garmin Connect)

Ursprünglich gab es nur fünf Stufen, die man erreichen konnte, aber mittlerweile sind es anscheinend schon mehr geworden. Ich habe mich gefragt, wie viele es insgesamt gibt und wie viele Punkte man dafür jeweils mindestens benötigt. In einem Beitrag des Supportforums bin ich auf folgende Übersicht gestoßen:

  • Level 1: 0 Punkte
  • Level 2: 20 Punkte
  • Level 3: 60 Punkte
  • Level 4: 140 Punkte
  • Level 5: 300 Punkte
  • Level 6: 620 Punkte
  • Level 7: 1260 Punkte
  • Level 8: 2540 Punkte
  • Level 9: 5100 Punkte
  • Level 10: 10220 Punkte

Die angegebenen Stufen samt Punkten wurden mir auf meine Nachfrage hin auch von einem Support-Mitarbeiter bestätigt. Nun wollte ich außerdem noch herausfinden, ob es einen Grund dafür gibt, dass genau diese Grenzen gewählt wurden und ob irgendein System dahinter steckt. Also habe ich mir angeschaut, ob ich ein Muster erkennen kann. Uns fällt gleich auf, dass es sich dabei um kein lineares Wachstum handeln kann, weil die Schritte zwischen den Stufen offensichtlich nicht gleich groß sind. Es gibt auch keinen gleichbleibenden Faktor, mit dem die Punktzahlen multipliziert werden um die jeweils nächste Grenze zu erhalten. Wenn wir uns die Abstände zwischen den Folgengliedern genauer ansehen, erkennen wir aber, dass es sich um verzwanzigfachte Zweierpotenzen handelt:

Folgende Formel liefert die Mindestanzahl an Punkten für eine bestimmte Stufe indem die Abstände der vorigen Stufen sukzessive aufsummiert werden:

Abgesehen davon können wir auch die Grenzen selbst mit dem Faktor 20 kürzen und sehen dann, dass die Ergebnisse jeweils um 1 kleiner als eine Zweierpotenz sind:


Die dadurch entstehenden Folgenglieder werden manchmal als Mersenne-Zahlen bezeichnet, obwohl diese streng genommen nur jene Einträge umfassen, bei denen der Exponent der Zweierpotenz eine Primzahl ist. Leider konnte mir der Support-Mitarbeiter keine Auskunft darüber geben, warum genau diese Grenzen für die Stufen gewählt wurden, aber es steckt jedenfalls ein wenig Mathematik dahinter.

Johannes C. Huber (hält es für unrealistisch jemals Stufe 10 zu erreichen)

Sonntag, 31. Juli 2022

Bloß keine halben Sachen

Thema: Handybildschirme und Troubleshooting

Im Frühjahr ist das Handy meiner Freundin auf den Küchenboden gefallen. Da der Bildschirm keinen Sprung o. ä. hatte, haben wir uns zunächst nichts weiter dabei gedacht. Nach kurzer Zeit stellte sich jedoch heraus, dass der Touchscreen ab der oberen Hälfte nicht mehr funktioniert. Außerdem war ein Teil der Bildpunkte auf der linken Seite schwarz. Um das Ganze noch schlimmer zu machen wurde der dadurch enstandene Fleck mit der Zeit größer und größer. Wir hatten also keine Zeit zu verlieren.

ein paar Stunden danach (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Um das Handy weiterhin bedienen zu können war unsere erste Idee den Bildschirm zu rotieren, um so abwechselnd auch auf die beiden fehlenden oberen Hälften zugreifen zu können. Unglücklicherweise hatte sie diese Funktion nicht aktiviert, also haben wir uns schlau gemacht, welche anderen Bedienungsmöglichkeiten kurzfristig in Frage kommen.

Es gibt u. a. die Option "Einhand-Bedienung", die das Tippen erleichtern soll, aber da ihr eigentliches Problem war, dass ein gewisser Teil des Bildschirms schlicht und einfach nicht reagiert, hätte diese Einstellung ohnehin keinen großen Unterschied gemacht.

Als Nächstes haben wir den Playstore nach brauchbaren Anwendungen durchsucht und sind auf die App "Auto Cursor" gestoßen. Unglücklicherweise war der Button für den Download (und in weiterer Folge wohl auch die Installation) genau ein kleines Stück zu weit oben um ihn antippen zu können. Also haben wir stattdessen versucht die App als apk-Datei herunterzuladen und manuell zu installieren. Auch hier hat uns der Bildschirm wieder ein Schnippchen geschlagen, weil sie dazu erst die Installation aus unbekannten Quellen aktivieren hätte müssen.

Das hat uns aber auf eine andere Idee gebracht, da sie immerhin das USB-Debugging einschalten konnte. Nun haben wir uns auf die Suche nach einem sogenannten Screen Mirror gemacht. Mein Vorschlag war zunächst ihr Gerät mittels Smartphone-Link mit meinem Rechner zu verbinden, aber auch das hätte wieder eine Freigabe auf dem oberen Teil des Bildschirms erfordert.

Schließlich sind wir auf das Programm "Screen Copy" gestoßen, mit dem ich es tatsächlich geschafft habe ihr Handy auf meinem Laptop zu spiegeln. Sobald das geglückt war, hat sie gleich die Bildschirmrotation und ein paar andere Dinge aktiviert um auf Nummer sicher zu gehen. Danach begann der Datentransfer.

Johannes C. Huber (hat bisher erst einen Handybildschirm kaputt gemacht)

Dienstag, 26. Juli 2022

Wie viel Bier ist genug?

Thema: Plakate und Zylinder

Disclaimer: Es handelt sich bei diesem Beitrag NICHT um Werbung.

Vor kurzem ist mir ein Plakat auf der Mauer eines Lokals an der Donau aufgefallen. Darauf sind vier Biergläser abgebildet, die von links nach rechts größer werden. Da es bekanntlich unterschiedliche Füllmengen für Bier gibt, habe ich mich gefragt, ob die abgebildeten Gläser ein paar bestimmten entsprechen und wenn ja, welche es sind. Meine erste Vermutung war, dass wir von links nach rechts wahrscheinlich Folgende sehen: Pfiff, Seidl, Halbe und Maß.

Werbeplakat für Bier von Stiegl mit Stiegl aus Bier (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Da die abgebildeten Trinkgefäße annähernd zylindrisch geformt sind, dürfte es für unsere Überlegungen ausreichen die entsprechende Formel zu verwenden. Ich habe die Proportionen der Gläser grob mit dem Auswahlwerkzeug im Bildbearbeitungsprogramm Gimp gemessen. Dazu habe ich ein Rechteck vom Glasboden weg bis zum Anfang des Bierschaums über die Abbildungen gelegt und bin auf folgende Maße gekommen (v. l. n. r.):


Ich bin zunächst davon ausgegangen, dass das größte Glas einen ganzen Liter Bier (ein Maß) darstellt, weil ich dann mit vergleichsweise wenig Aufwand die Anteile der drei kleineren Gläser bestimmen kann. Ihre Füllmengen würden dann ca. 0,3 Liter (Seidl), 0,5 Liter (Halbe/Krügel) und 0,75 Liter (Schimmala) entsprechen. Wenn ich stattdessen davon ausgehe, dass das kleinste Glas 0,125 Liter (ein Pfiff) darstellt, dann würden die drei größeren Gläser ungefähr 0,2 Liter (Flöte), 0,3 Liter (Seidl) und 0,4 Liter (Humpen) beinhalten. Beide Varianten sind mir allerdings nicht ganz richtig vorgekommen.

Tatsächlich dürften die vier Gläser nämlich folgende Füllmengen haben: 0,125 Liter (Pfiff), 0,2 Liter (Flöte), 0,3 Liter (Seidl) und 0,5 Liter (Halbe/Krügel). Das liegt daran, dass ich durch eine kurze Internetrecherche auf den Shop gestoßen bin, wo alle Größen für den sogenannten Stiegl Becher angegeben sind. Diese Unterschiede sind womöglich Fehlern bei meinen, zugegeben, sehr groben Messungen geschuldet. Es kann auch an einer nicht maßstabsgetreuen Skalierung der abgebildeten Biergläser liegen oder manche von ihnen wurden schlicht und einfach nicht ordentlich eingeschenkt.

Johannes C. Huber (findet es schade, dass die Füllmengen in Summe nicht einen Liter ergeben)

Quellen:

Dienstag, 28. Juni 2022

Werde eins mit dem Tau

Thema: Ein Manifest für die wahre Kreiskonstante

Am 28. Juni wird der Tau-Day gefeiert und deshalb gibt es doppelt so viel Kuchen wie am 14. März.

Doppelt hält nun mal besser. (Bildquelle: Johannes C. Huber)

Der Name lässt sich, genauso wie beim Pi-Day, aus dem entsprechenden Datum in US-amerikanischer Schreibweise ableiten: 06-28-XX. Falls wir es noch genauer haben möchten: Im Jahr 2031 wird Tau am späten Abend auf neun Stellen hinter dem Komma möglich sein - 06/28/31 8:53:07.
 
Ich habe vor Kurzem gemeinsam mit Axel, einem deutschen Physiker, und Jonas, einem Schweizer Informatiker, das Tau-Manifest von Michael Hartl in die deutsche Sprache übersetzt. Ich pflichte Jonas bei, der geschrieben hat: "I'm so excited for this. So we have a German, an Austrian and a Swiss person working on the German translation... it must be good ;-)". Es war eine tolle Erfahrung daran zu arbeiten und ich würde es jederzeit wieder machen.
 Auch die Stellen der wahren Kreiskonstante eignen sich für Zeitangaben und vieles mehr.

In diesem Beitrag möchte ich zur Feier des Tages ein paar Merksätze für Tau vorstellen. Es gibt etliche, mit denen wir uns unterschiedlich viele Stellen von Pi ins Gedächtnis rufen können (ich habe mich in einem vergangenen Beitrag zum Pi-Day damit beschäftigt), also ist es höchste Zeit hier ein wenig nachzuschärfen. Um die Ziffern der Stellen abzulesen, zählen wir die Anzahl der Buchstaben in jedem Wort. Eine Schwierigkeit war in diesem Fall das Vorkommen von Nullen in den Stellenwerten. Ich habe mir mehrere Möglichkeiten überlegt, wie ich damit umgehen kann:

  • die Null auslassen: Das ist zwar einfach, aber leider überhaupt nicht praktikabel, weil dann nicht mehr klar ist ob überhaupt eine Null vorkommt und wenn ja, wo genau.

  • statt der Null ein Satzzeichen schreiben: Im folgenden Beispiel steht der Bindestrich für eine Null. Ich hätte stattdessen auch einen Punkt oder ein Ausrufezeichen schreiben können. Es handelt sich hierbei um meine letzte Nachricht aus unserer Mailkorrespondenz:
"Cheers to trueness and τ-tologies being one - Luckily I cherish wordplays ;-)"
  • stattdessen die vorangehende Ziffer zur Null dazu geben: Eine Null wird dadurch zusammen mit der Ziffer davor als zweistellige Zahl gelesen. Die erste Null wird z. B. mit dem davor stehenden Dreier zu Dreißig. Im Englischen gibt es anscheinend genau ein Wort mit 30 Buchstaben, und zwar "pseudopseudohypoparathyroidism" (eine seltene Knochenerkrankung), was leider thematisch überhaupt nichts mit der Kreiskonstante zu tun hat. Glücklicherweise ist die deutsche Sprache in dieser Hinsicht wesentlich genügsamer, weil es üblich ist viele Wörter miteinander zu verketten. Ich habe zunächst in ein paar Listen geschmökert, ehe ich mich entschieden habe ein eigenes zu erfinden, das in diesem Merksatz vorkommt:
"Gerade so schreiben wir π-etätvoll diese Kreiskonstantenmanifestversion."
  • statt der Null eine markierte Leerstelle schreiben: Das habe ich beim Merksatz nach meiner Signatur am Ende des Beitrags probiert:

Johannes C. Huber (möchte es schaffen die \(\tau\)-Floskeln sogar mit _ Stellen \(\pi\)-ttoresk anzumuten)

Quellen:

Samstag, 28. Mai 2022

Ein Ring, sie vollbrächten, die Formel zu finden

Thema: Donuts und Formeln

Im Mathematikunterricht der Unterstufe lernen wir, wie man die Formel für die Kreisfläche herleitet. Dazu zerschneiden wir diese in gleich große Ausschnitte (Sektoren) und legen sie anschließend versetzt wieder zusammen. Je kleiner diese Ausschnitte sind, desto mehr erinnert die dadurch entstandene Form an ein Rechteck, für das wir ganz einfach die Fläche berechnen können:

Veranschaulichung der Kreisflächenformel (Bildquelle: abgeändert nach Wikimedia Commons)

Im Rahmen des Kreises und seiner Teile wird normalerweise auch der Kreisring behandelt. Das dreidimensionale Pendant des Kreises ist die Kugel und jenes des Rings ist der Torus:

 
Kreis, Kugel, Ring und Torus (Bildquelle: eigene Darstellung mit Geogebra)

Dieser wird oft fälschlicherweise ebenfalls als Ring bezeichnet. Bessere Alternativen wären z. B. die Begriffe Reifen oder Donut. Möglicherweise denken manche Leute aus dem Lesepublikum, dass die Formel für das Volumen dieses Körpers äußerst kompliziert sein muss und tatsächlich gibt es auch verhältnismäßig abschreckend aussehende Varianten davon, wie z. B.:

Wir können sie aber stattdessen auch mit derselben Strategie herleiten wie jene für die Kreisfläche. 

Dazu gehen wir wie folgt vor:

Wir zerschneiden den Donut in gleich große Stücke...
 
...dann legen wir diese jeweils versetzt aufeinander...

...und erhalten ein Gebilde, das an einen Zylinder erinnert.

Je feiner wir den Torus zerlegen, desto zylindrischer ist das neue Konstrukt. Die Formel für das Zylindervolumen ist einfach die Grundfläche multipliziert mit der Höhe. Wir müssen uns also nur überlegen, welche beiden Bestandteile das in diesem Fall sind. Die Grundfläche ist die kreisförmige Querschnittsfläche des Torus mit Innenradius \(r\) und die Höhe ist der mittlere Umfang des Torus, den wir mit dem mittleren Radius \(R\) erhalten. Diesen Umstand können wir uns anschaulich erklären indem wir berücksichtigen, dass auf jeder Seite jeweils die Hälfte des inneren und äußeren Umfangs des Torus aufeinander gestapelt werden. Wenn wir diese beiden Größen in die Formel für den Zylinder einsetzen, erhalten wir mit wenig Aufwand die Formel für das Volumen des Torus:

 Wer braucht schon Funktionaldeterminanten oder Rotationskörper, wenn es auch einfacher geht?

Johannes C. Huber (unterscheidet nicht mehr zwischen ringförmigen und geraden Donuts)

Montag, 25. April 2022

A Herz hat a jeder Mensch

Thema: Kartenspiele und Kombinatorik

Ich spiele seit ungefähr einem halben Jahr hin und wieder das Kartenspiel "Doppelkopf". Bei unserer Variante des Spiels verwenden wir insgesamt vierzig Karten, und zwar fünf verschiedene (Bube, Dame, König, Zehn und Ass) von jeder Farbe (Herz, Pik, Karo und Kreuz) jeweils zweimal. Trumpfkarten sind alle Buben und Damen, sowie alle Karo-Karten und die Herz Zehner. Fehlfarbe bedeutet, dass die entsprechenden Karten keine Trümpfe und daher vergleichsweise schwach sind. Bei Herz gibt es also nur vier Karten der Fehlfarben: die beiden Asse und die beiden Könige. Wie hoch ist nun die Wahrscheinlichkeit, dass jede Person in der Runde genau eine dieser vier Herzkarten auf der Hand hat und ein Fehlfarbenstich mit Herz durchgeht?

beispielhafte Aufteilung der Handkarten für vier Personen, bei der jede Person
eine der vier Herzkarten der Fehlfarben auf der Hand hat (Bildquelle: Random.org)

Eine unkomplizierte Möglichkeit um das zu modellieren ist eine Kette von Multiplikationen aufzustellen. Das Austeilen der Karten ist nämlich wie eine Ziehung ohne Zurücklegen bzw. Wiederholung. Wir gehen zunächst einmal der Einfachheit halber davon aus, dass die erste Person zuallererst eine Herzkarte der Fehlfarben zieht und danach neun weitere der anderen 36 Karten:


Der Nenner wird mit jedem Zug um eins kleiner, da die Anzahl der Karten im Stapel immer weiter abnimmt. Dasselbe überlegen wir uns auch für die drei anderen Personen:

Nun müssen wir allerdings noch berücksichtigen, dass die Herzkarte genauso gut in jedem anderen der jeweils zehn Züge gezogen werden kann. Da die Herzkarte also auf zehn verschiedene Arten in der Hand der jeweiligen Person landen kann, multiplizieren wir jede Wahrscheinlichkeit mit 10:




Wenn wir diese Wahrscheinlichkeiten miteinander verketten erhalten wir als Ergebnis ungefähr 11 % oder in anderen Worten: Ein bisschen häufiger als jedes zehnte Spiel. Für diejenigen, die Formeln bevorzugen: Wir kommen auf dieselbe Wahrscheinlichkeit, wenn wir mit Binomialkoeffizienten arbeiten. Es gibt 40 über 10 Möglichkeiten für die erste Person zehn Karten zu ziehen, 30 über 10 für die zweite, 20 über 10 für die dritte und 10 über 10 für die vierte:

Davon darf jeweils nur eine der gezogenen Karten eine Herzkarte sein, also 4 über 1 Möglichkeiten für die erste Person, 3 über 1 für die zweite, 2 über 1 für die dritte und 1 über 1 für die letzte (die auf jeden Fall die verbleibende Herzkarte zieht):

Die restlichen neun Karten dürfen jeweils aus den verbleibenden Karten gezogen werden, die keine Herzkarten der Fehlfarben sind:

Dabei handelt es sich um folgende Formel des Urnenmodells aus der Kombinatorik, mit der man beim Ziehen ohne Zurücklegen die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Anzahl von Kugeln einer Farbe ermitteln kann, wobei die mittlere Variante zum Einsatz kam:

Unser n ist in diesem Fall 10, weil jede Person zehn Karten zieht und unser \(k\) ist 1, weil eine davon eine der vier Herzkarten der Fehlfarben sein soll. Für die erste Person stehen \(N\) = 40 Karten zur Auswahl, unter denen sich zu Beginn noch \(M\) = 4 Herzkarten der Fehlfarben befinden. Für die zweite verbleiben \(N\) = 30 Karten mit nur noch \(M\) = 3 Herzkarten der Fehlfarben und so weiter:




Nun aber zu einem praxisrelevanten Aspekt: Mit welcher Wahrscheinlichkeit gelingt mir der Fehlfarbenstich, wenn ich ausspielen darf? An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass bei Doppelkopf Farbzwang herrscht, d. h. die Fehlfarbe Herz muss, wenn möglich, auch bedient werden. Unsere Frage lautet also in anderen Worten: Mit welcher Wahrscheinlichkeit habe ich ein Herz-Ass und die anderen drei Personen jeweils genau eine Herzkarte der Fehlfarben?

Die Antwort auf die Frage ist schnell gefunden, wenn wir uns überlegen, wie viele verschiedene Fälle eintreten können. Es gibt insgesamt 4! = 24 Möglichkeiten die vier Karten anzuordnen. Allerdings sind jeweils zwei davon nicht paarweise unterscheidbar, also müssen wir noch zweimal durch 2! = 2 dividieren und kommen auf 6 mögliche Fälle:

  • Ass-Ass-König-König
  • Ass-König-Ass-König
  • Ass-König-König-Ass
  • König-Ass-Ass-König
  • König-Ass-König-Ass
  • König-König-Ass-Ass

Die günstigen Fälle entsprechen genau der Hälfte, was intuitiv auch klar sein sollte, wenn wir bedenken, dass die erste Person in der Hälfte der Fälle eines der beiden Herz-Asse auf der Hand hat.. Wir müssen also nur die Wahrscheinlichkeit halbieren und kommen auf ungefähr 5,5 %. Hier wird allerdings nicht berücksichtigt, dass es viele Verteilungen der Karten gibt, die bestimmte Spielarten (z. B. Soli o. ä.) begünstigen und die Wahrscheinlichkeit noch beeinflussen können.

Johannes C. Huber (überlegt sich künftig zweimal, ob er den Herzstich riskiert)

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön für wertvollen Input von Kai, Janis, Raphael und Clara!

Quellen: