Montag, 24. Januar 2022

Nicht alle, die impfen, gewinnen

Thema: Impflotterie und Bernoulli-Experimente

Vergangenes Jahr erwartete manche von uns eine zusätzliche Bescherung im Zuge der Aktion "Wer impft, gewinnt". Verlost wurden jedoch keine Stiche, sondern Sachpreise (u. a. ein Haus, ein Auto, Küchen und Fernseher). Im Februar 2022 sollte ursprünglich eine weitere solche "Impflotterie" starten. Dabei waren 500 €-Gutscheine für jede zehnte Teilimpfung und zusätzlich auch Prämien für Gemeinden vorgesehen:

Modalitäten der "Impflotterie" 2022 (Bildquelle: Der Standard/APA)

Mein Mitbewohner hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass viele Leute ihre individuellen Chancen falsch einschätzen, weil sie behaupten sie hätten mit jedem Stich eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 10 %, also bei drei Impfungen insgesamt 30 %. Diese Überlegung ist allerdings zu einfach gedacht. Mehrere Personen haben bereits die tatsächlichen Gewinnwahrscheinlichkeiten berechnet. So auch die Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria:

Allerdings sind das nur die fertigen Ergebnisse ohne Rechenweg. Wir haben uns also den Spaß gemacht diese selbst zu berechnen und auch gleich die einzelnen Schritte mit zu liefern. Alles, was wir dafür brauchen, ist ein wenig Schulmathematik aus der Oberstufe. Wir haben es hier mit einem Bernoulli-Experiment zu tun, d. h. es gibt nur zwei mögliche Ausgänge. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stich gewinnt beträgt 10 %, also ist die Gegenwahrscheinlickeit 90 %. Wir stellen uns vor, dass jemand mit drei Teilimpfungen bei drei Ziehungen mitmacht. Wir können also dreimal hintereinander jeweils gewinnen oder leer ausgehen:

Der Binomialkoeffizient in der Formel sorgt dafür, dass wir alle Möglichkeiten berücksichtigen. Nichts zu gewinnen geht nur auf eine Art und Weise. Bei einem Gewinn könnte das jedoch auf drei verschiedene Arten passieren. Ebenso bei zwei Gewinnen, weil wir uns überlegen können, dass es drei Möglichkeiten gibt einmal nicht zu gewinnen. Bei drei Gewinnen gibt es wiederum nur eine Möglichkeit.

Falls uns lediglich interessiert, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist überhaupt etwas zu gewinnen, ohne alle Teilwahrscheinlichkeiten zu kennen, ginge es auch schneller. Dazu arbeiten wir stattdessen mit der Wahrscheinlichkeit für das Gegenereignis, nämlich nichts zu gewinnen:

Obwohl die richtige Wahrscheinlichkeit in diesem Fall sogar sehr nahe an den vermeintlichen 30 % liegt, ist der zugehörige Rechenweg doch ein wenig komplizierter als einfach nur Prozente zu verdreifachen. Abgesehen davon müsste die richtige Bezeichnung für die Aktion diesmal jedenfalls lauten "Etwas mehr als eine Person von vier, die impft, gewinnt".

Johannes C. Huber (hält den Begriff "Impflotterie" für irreführend)