Thema: Kartentricks und Differenzen
Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich mich mit dem Einsatz mathemagischer Kartentricks im Schulunterricht beschäftigt. Auf meinem Blog stelle ich diese nun in unregelmäßigen Abständen vor.
Eddie Woo hat in der Pandemiezeit einen Kartentrick vorgestellt, der ein paar Jahre zuvor von James Grime entwickelt wurde. Da er keinen Namen hat, bezeichne ich ihn hier als "Wir haben unsere Differenzen". Wir benötigen dafür im Grunde nur die Karten Ass bis Zehn einer Spielfarbe, wobei das Ass in diesem Fall den Rang eins hat. Zusätzlich dazu verwenden wir noch die Karten von Ass bis Neun der beiden komplementären anderen Spielfarben, um später die namengebenden Differenzen zwischen gegenüberliegenden Karten zu markieren.
Zunächst legen wir jene Karten beiseite, die für die Markierung der Differenzen gedacht sind und mischen anschließend die zehn Karten. Im nächsten Schritt verteilen wir diese auf eine beliebige Art und Weise auf uns und unser Gegenüber. Wichtig ist dabei nur, dass beide jeweils die Hälfte der Karten bekommen. Falls sie verdeckt ausgeteilt oder gezogen wurden, drehen wir sie nun um und legen sie anschließend in von links nach rechts aufsteigender Reihenfolge vor uns auf. Das hat zu Folge, dass unsere niedrigste Karte gegenüber von der höchsten unseres Gegenübers liegt und umgekehrt.
Anschließend bilden wir jeweils die absolute Differenz zweier gegenüberliegender Karten und legen dafür die entsprechende Karte der anderen Spielfarbe zwischen die beiden gegenüberliegenden, um diese zu veranschaulichen. Zum Schluss fordern wir unser Gegenüber auf, diese fünf Differenzen zu addieren. Währenddessen offenbaren wir unsere Vorhersage, auf der ebenfalls die Zahl 25 steht. In diesem Fall könnten wir den Vorhersagetrick als Gedankenlesetrick durchführen, indem wir uns die ganze Zeit wegdrehen und unser Gegenüber die Karten auflegen lassen. Zusätzlich dazu können wir das Ganze in beiden Fällen auch als Wette verpacken.
Hier ein Beispiel: Wir verwenden die Karten Ass bis Zehn der Spielfarbe Pik für die Verteilung und Ass bis Neun der Spielfarben Herz und Karo für die Veranschaulichung der Differenzen. Eine mögliche Verteilung der Karten könnte dann wie folgt sein: Auf unserer liegen Ass, Vier, Fünf, Sieben und Neun, während auf der gegenüberliegenden Seite Zwei, Drei, Sechs, Acht und Zehn liegen. Dabei liegt das Ass also gegenüber vom Zehner, der Vierer gegenüber vom Achter und so weiter (siehe Abbildung). Woo arbeitet bei der Erläuterung des Tricks mit einem Lageplan, auf dem er Pfeile für die Reihenfolgen einzeichnet, in der die Karten aufgelegt werden sollen, damit es hier keine Unklarheiten gibt.
Beispiel mit zehn Karten (Bildquelle: Johannes C. Huber)
Es spielt keine Rolle, wie die Karten aufgeteilt werden, denn die Summe der Differenzen D ist in jedem Fall 25. Das liegt daran, dass für jeden Unterschied jeweils einer der fünf niedrigen (Ass bis Fünf) von einem der fünf hohen Ränge (Sechs bis Zehn) abgezogen wird. Um das zu zeigen, arbeiten wir mit der Gaußschen Summenformel und überlegen uns Folgendes: Zuerst berechnen wir die Summe aller zehn Ränge und ziehen dann die Summe der fünf niedrigen ab, um jene der fünf hohen zu erhalten. Anschließend müssen wir erneut die Summe der fünf niedrigen abziehen, um schließlich die gewünschte Summe der Differenzen zu erhalten. Zusammengefasst subtrahieren wir also zweimal die Summe der niedrigeren Ränge von der Gesamtsumme aller Ränge und kommen so auf folgende Formel:
Dabei fällt uns auf, dass es sich stets um eine Quadratzahl handelt, und zwar jene der Anzahl an Karten, die jede Seite bekommt. Für zehn Karten ist die Summe der Differenzen demnach stets (10 : 2)² = 5² = 25. Woo schlägt folgende vereinfachte Notation vor, bei der H für einen der fünf hohen und N für einen der fünf niedrigen Ränge steht, um die Funktionsweise plausibel zu machen: (H - N) + (H - N) + (H - N) + (H - N) + (H - N) = 5H - 5N = (10 + 9 + 8 + 7 + 6) - (5 + 4 + 3 + 2 + 1) = 40 - 15 = 25. Die Lernenden müssen dafür lediglich wissen, wie das Assoziativitätsgesetz funktioniert.
Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung der Lernenden ist der Hinweis, dass die Summe aller Karten gleich 55 ist. Falls man diesen Umstand nicht gleich verraten möchte, können sie zumindest aufgefordert werden, die Summe der Kartenwerte zu bilden, um ein Muster zu erkennen. Dazu können unter anderem folgende Impulsfragen gestellt werden:
- Wie groß ist der Unterschied zwischen den beiden mittleren Karten höchstens?
A: Die maximale Differenz zwischen den mittleren Karten ist 8 - 3 = 5. - Findest du eine Verteilung, bei der die paarweise Summe gegenüberliegender Karten stets elf ist?
A: Eine Möglichkeit wäre: 1 + 10, 2 + 9, 3 + 8, 4 + 7 und 5 + 6. - Findest du eine Verteilung, bei der keine der paarweisen Differenzen gegenüberliegender Karten gleich ist?
A: Eine Möglichkeit wäre: 10 - 2, 9 - 3, 8 - 4, 7 - 5 und 6 - 1. - Würde der Trick auch mit weniger als zehn Karten funktionieren?
A: Ja, aber die Anzahl der Karten muss gerade sein. Bei zwei Karten gibt es genau eine Möglichkeit für die Verteilung der Karten (unabhängig davon, welche Seite welche Karte bekommt) und die Differenz ist stets 1. Bei vier Karten ist die Differenz stets 4, bei sechs Karten 9 und bei acht Karten 16. Im Zuge dessen dürfte uns auffallen, dass es sich dabei um die Quadratzahlen handelt. - Wären auch mehr als zehn Karten möglich?
A: Ja, es wären auch zwölf Karten möglich, wenn wir einen Buben und eine Dame mit den Rängen elf und zwölf hinzufügen. Die Summe der Differenzen ergibt dann stets 36. Falls wir auch den König mit Rang dreizehn einen Joker mit Rang null oder vierzehn hinzufügen, wären sogar vierzehn Karten möglich und die Summe der Differenzen stets 49.
Falls wir eine andere feste, aber beliebige Schrittlänge wählen, indem wir sie entsprechend skalieren, überträgt sich diese Veränderung auch auf die Summe der Differenzen. Hier ein Beispiel: Falls der Abstand zwei ist, d. h. statt der Reihenfolge A-2-3-4-5-6-7-8-9-10 könnten wir die Reihenfolge 2-4-6-8-10-D-A-3-5-7 festlegen, wobei wir eine Überschreitung von K = 13 machen müssen, um die Zahlen 14, 16, 18 und 20 auszudrücken. In diesem Fall ist die Summe der Differenzen doppelt so groß, d. h. gleich 50. Eine Verschiebung ist ebenso möglich, insofern die Schrittlänge gleich bleibt, d. h. wir könnten theoretisch auch gewisse Kartenwerte als negative Zahlen verwenden.
Diese Überlegung lässt sich u. a. auch auf Quartettspiele übertragen. Angenommen wir teilen die 32 Karten eines Trumpf-Spiels aus, wählen dann eine bestimmte Kategorie (z. B. Hubraum in ccm, Länge in m, Leistung in PS, Drehzahl in U/min oder Gewicht in kg bei Traktoren) und legen dann alle Karten in der gleichen Sortierung auf, sodass immer zwei Karten gegenüber sind. In diesem Fall wird die Summe der Differenzen ebenfalls gleich sein (auch wenn sie uns nichts darüber sagt, welche Seite im jeweiligen Fall die besseren Karten hat), weil quasi alle Karten gleichzeitig gespielt werden, sodass die höchste der einen Seite gegen die niedrigste der anderen antritt und umgekehrt immer so weiter.
Johannes C. Huber (erwartet mit dieser Erkenntnis keinen strategischen Vorteil bei Quartettspielen)