Thema: Orangensaft und Konsument:innenbildung
Ich habe im GWB-Unterricht für meine zweite Klasse vor Kurzem mit dem Thema (globale) Lieferketten begonnen. In diesem Zusammenhang haben wir uns mit der Reise von Orangen beschäftigt. Meine Kollegin, die mich in diesem Schuljahr als Assistenzlehrerin unterstützt, hat mich motiviert, eine Stunde dafür zu nutzen, die Kinder verschiedene Säfte probieren zu lassen - inklusive einem selbst gepressten versteht sich. In der Stunde davor haben wir uns noch gemeinsam überlegt, welche Aspekte in die Kaufentscheidung miteinfließen können und die Kinder haben unter anderem folgende Kriterien genannt:
- guter Geschmack
- praktische Verpackung
- lange Haltbarkeit
- ansprechendes Design
- günstiger Preis
- große Menge
- keine künstlichen Zusatzstoffe
- fairer Handel
- biologischer Anbau
- keine Kinderarbeit
- hoher Fruchtanteil
- Recyclebarkeit
Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, aber abgesehen davon wollten wir auch darauf aufmerksam machen, mit welchen Tricks die Werbung arbeitet, wie die Orangenernte tatsächlich vonstatten geht, wie viele Stationen ein Orangensaft auf dem Weg bis zu uns besucht und welche Unterschiede man sogar sehen, riechen und schmecken kann. Im Zuge der empirischen Erprobung hat sich dann außerdem herausgestellt, welche Kinder schon einmal beim Frühstück machen geholfen und welche vermutlich höchstens zugeschaut haben. Entgegen meiner Erwartung hielt sich der Reinigungsaufwand in Grenzen (abgesehen von einer Orangensaftlacke, die auf meinen eigenen Mist gewachsen ist, als ich eine nicht sachgemäß geschlossene Packung vor dem Einschenken noch einmal schütteln wollte).

Man beachte die Farbuntschiede von Orangensaftgetränk bis selbst gepresst. (Bildquelle: Johannes C. Huber)
In der Unterrichtsstunde haben wir insgesamt vier Säfte verkostet. Die Säfte weisen mitunter einen merkbaren Farbunterschied auf und der Konsens war, dass der frisch gepresste Saft mit Abstand am besten ankommt. Für diesen Beitrag habe ich anschließend noch zwei weitere ergänzt, die beim ersten Einkauf budgetär nicht drin waren und zwar allesamt von Spar (keine Werbeeinschaltung):
- Spar Sunny Orange (25 % Fruchtanteil und 1,79 € pro Liter)
- S Budget Orangen Nektar (mind. 50 % Fruchtanteil und 1,33 € pro Liter)
- Spar 100 % Orange (100 % Fruchtanteil und 2,49 € pro Liter)
- Spar 100 % Orange Fairtrade (100 % Fruchtanteil und 2,79 € pro Liter)
- Spar Natur pur Bio-Orange (100 % Fruchtanteil und 2,99 € pro Liter)
- selbst gepresst (100 % Fruchtanteil und umgerechnet 3,69 € pro Liter*)
Insbesondere der preisliche Unterschied schien bei einigen Erstaunen hervorzurufen, doch wer echte Früchte will, muss auch saftige Preise in Kauf nehmen. Die Schätzungen der Klasse lagen recht nahe bei dem Betrag, den wir uns für den selbst gepressten ausgerechnet haben, wobei hier nur der Materialeinsatz und nicht die Arbeitszeit berücksichtigt wurde. Ein paar Kinder haben auch berichtet, dass sie sich schon einmal einen frisch gepressten gekauft haben, der direkt im Supermarkt von einem Automaten gewonnen wird und scheinbar noch teurer ist. Hier dürfte die relativ kleine Füllmenge (vermutlich Viertelliterflaschen) noch einmal zusätzlich den Preis nach oben drücken.
Den meisten Kindern war allerdings nicht klar, dass auch in vermeintlich natürlichen Produkten wie Orangensaft dennoch viele Inhaltsstoffe vorkommen können, die künstlich zugesetzt werden. Glücklicherweise konnte meine Kollegin als Chemikerin hier viele Dinge ergänzen und mit Fehlvorstellungen aufräumen. Stunden wie diese führen zwar womöglich nicht unbedingt zu vielen Hefteinträgen, aber sie bleiben den Lernenden dafür umso länger in Erinnerung und fördern (hoffentlich) die Bereitschaft, Dinge kritisch zu hinterfragen.
Johannes C. Huber (trinkt deshalb seit Tagen nur noch Orangensaft)
* Ich habe zu Hause noch einmal ein 2 kg-Netz Orangen gepresst und daraus ziemlich genau einen Liter Saft erhalten.