Thema: Bananen und Prozentrechnung
Ich habe Anfang Dezember eine Fortbildung zum Thema "Globale Ernährung" besucht. Dort wurden unter anderem verschiedene Unterrichtsmethoden vorgestellt, die wir auch selbst ausprobieren konnten. Bei einer davon ging es um die Zusammensetzung der Kosten einer handelsüblichen Banane, sprich: welcher prozentuelle Anteil des Verkaufspreises an wen geht:
Das ausgefüllte Arbeitsblatt des Autors. (Bildquelle: Johannes C. Huber)
Gegen Ende der Veranstaltung wurde uns dann die Musterlösung offenbart:
- Löhne: 6,7 %
- Produktion: 6,1 %
- Großhandel & Reifereien: 11,4 %
- Einzelhandel: 23,9 %
- Zoll: 11,8 %
- Import: 23,9 %
- Export: 5,5 %
Da mir die Abbildung bekannt vorkam, habe ich im Anschluss ein bisschen recherchiert, welches Datenmaterial als Grundlage verwendet wurde und bin schon nach kurzer Zeit fündig geworden. Die Prozentsätze basieren auf Berechnungen von BASIC (Bureau d'Analyse Sociétale pour une Information Citoyenne) aus dem Jahr 2014 und dazu passende Grafiken gibt es in vielen unterschiedlichen Ausführungen im Internet. Die Wissenschaftsjournalistin Sarah Zierul hat sie beispielsweise für ihr Buch Billig. Billiger. Banane. Wie unsere Supermärkte die Welt verramschen. aus dem Jahr 2015 verwendet:
Eine Abbildung ohne nähere Quellenangabe im oben genannten Buch. (Bildquelle: Johannes C. Huber)
Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass ich die zugehörigen Rohdaten
ausfindig machen konnte und habe außerdem noch einige weitere
Abbildungen analysiert, bei denen ähnliche Aufteilungen vorgenommen
werden. Allerdings stammen die neuesten Datensätze höchstens aus dem Jahr 2015. Bei den anderen konnte ich
diesbezüglich leider
keine Angaben finden. Aber das spielt wahrscheinlich gar keine allzu
große Rolle, weil die Prozentsätze in den meisten Fällen mehr oder weniger übereinstimmen.
Bei derartigen Grafiken soll in erster Linie eine Botschaft transportiert werden und in diesem Fall geht es vor allem darum zu betonen, wie ungleich die Verteilung ist. Schließlich kommt jenen Menschen, die tatsächlich für den Anbau und die Ernte zuständig sind, nur ein vergleichsweise geringer Anteil zu. Aus mathematischer Sicht ist allerdings zu kritisieren, dass sich die Stücke einer Banane bzw. ihre zweidimensionalen Flächen nicht für eine derartige Veranschaulichung eignen, weil die Frucht an den Enden schmaler ist, wie im Extremfall an einem Beispiel wie diesem gut ersichtlich sein sollte:
Veranschaulichung nur scheinbar gleich großer Anteile (Bildquelle: abgeändert nach DGB einblick 07/15)
Diese
Abbildung stammt aus einem Infoschreiben des deutschen
Gewerkschaftsbundes. Vermutlich wurde hier nicht etwa die Fläche,
sondern lediglich die Länge
der Stücke als Vergleichskriterium herangezogen und selbst das ist
nicht einwandfrei gelungen. So sind beispielsweise drei Stücke, die jeweils vier Prozent entsprechen, aneinandergereiht immer noch länger als ein zwölf Prozent-Stück. Das Gleiche gilt auch für die zwanzig Prozent Ganz
abgesehen von
der Tatsache, dass ihre Flächen nicht einmal ansatzweise
jene des vermeintlich gleich großen Stücks abdecken.
Noch absurder wird das bei diesem Beispiel aus einem Schulatlas: Wenn wir ein Stück, das acht Prozent entsprechen soll, in ein anderes hineingeben können, das nur fünf Prozent entspricht, dürfen wir es mit der Geometrie wohl nicht allzu genau nehmen. In diesem Fall kann auch nicht die Länge als Ersatzmaß dienen, da acht Prozent wahlweise gleich lang wie fünf oder dreizehn Prozent erscheint.
Mir geht es jedoch weder darum,
Schulbuchverlage anzupatzen, noch darum, diese Schieflage bei der Verteilungsgerechtigkeit schönzureden. Ich will lediglich darauf aufmerksam machen, dass gewisse Design-Entscheidungen mit Vorsicht zu genießen sind. Immerhin entsteht in Abbildungen wie diesen der Eindruck, dass die Ausprägung noch stärker ist, als die Berechnungen ergeben haben.
Nichtsdestotrotz
werde ich in meinem Unterricht davon Gebrauch machen, Bananen zur
Veranschaulichung zu nutzen. Das Tolle daran ist nämlich, dass man diese
Zerlegung natürlich auch mit echten Früchten machen kann. Die Kinder
bekommen dafür von mir in Zweierteams jeweils eine solche gepaart mit
einem Buttermesser, wodurch sich die Verletzungsgefahr in Grenzen halten
sollte, sowie einen Schmierzettel als Unterlage. Ich beispielsweise
habe für derartige Zwecke einen Stapel Papier bei meinem Arbeitsplatz
liegen, auf den ich u. a. einseitig bedruckte Fehldrucke, nicht
benötigte Kopiern, etc. ablege.
Anschließend
sollen sie die Banane entsprechend ihrer Vermutung in die sieben Stücke
zerschneiden, bevor die Auflösung durch die Lehrperson kommt. Dabei
soll die Länge eines Stücks den jeweiligen Anteil der Stakeholder
widerspiegeln, d. h. wir ignorieren das oben beschriebene Problem der
ungleich geformten Frucht und nutzen stattdessen den Vorteil einer
einprägsameren Methode, bei die Lernenden nicht nur zuhören und
schreiben, sondern auch selbst etwas tun müssen:
Eine
weniger klebrige Alternative wäre, stattdessen mit Centmünzen zu
arbeiten. Allerdings müsste die Lehrperson dafür Kleingeld in
Klassenstärke bereitstellen, was nicht allzu praktikabel erscheint. In
diesem Fall würde ich stattdessen empfehlen einen fiktiven Kaufpreis zu
nennen, von dem die Lernenden dann entsprechende Teilbeträge abzwacken
und diese aufschreiben (wir ignorieren in diesem Fall den Umstand, dass
es um einen Kilopreis und nicht um einen Stückpreis geht - wie z. B. hier).
Die
beiden Varianten könnten auch miteinander kombiniert werden. Ich
erachte sie als altersadäquat für die fünfte Schulstufe, da es in beiden
Fällen kein Problem darstellt, wenn die Kinder noch keine
Prozentrechnung kennen. Selbstverständlich müssen jedoch Begriffe wie
Import, Export, etc. im Vorhinein erläutert werden, damit klar ist, was
zugeordnet werden soll. Vielleicht bleibt danach ja sogar noch Zeit, um
zu thematisieren, wie mit fehlerbehafteten Veranschaulichungen getrickst
werden kann.
Johannes C. Huber (hat nun auch als Lehrer in der Schule jeden Tag eine Banane als Jause dabei)