Thema: Schachturniere und Gleichungssysteme
Dieser Beitrag ist am 13.01.2023 auch im Standard erschienen.
Um zu verstehen, wie die Gesamtpunktzahl zustande kommt, reicht es aus zu wissen, wie viel Punkte es für die verschiedenen Ausgänge eines Spiels gibt. Für einen Sieg erhält man einen Punkt und für ein Remis (Unentschieden) einen halben. Wir wissen, dass er Runde 1 bis 5 sowie Runde 17 bis 21 gewonnen hat. Außerdem sind mindestens fünf seiner Spiele unentschieden ausgegangen (Runde 8 bis 12) und er hat mindestens zweimal verloren (in Runde 15 gegen Nepomnjaschtschi und in Runde 16 gegen Sarana).
Nach dem ersten Tag lag er einen Punkt hinter seinem Konkurrenten Nakamura und hat demnach insgesamt 9 Punkte erzielt. Wir wissen über den Ausgang von zehn der zwölf Spiele Bescheid: fünf Siege und fünf Remisen ergibt 7,5 Punkte. Also bleibt nur eine Möglichkeit: Eines der beiden verbleibenden Spiele muss unentschieden ausgegangen sein und das andere hat er gewonnen. Im Artikel wird erwähnt, dass er das Turnier mit fünf Siegen en suite begonnen hat. Dementsprechend müsste Runde 6 ein Remis und Runde 7 ein weiterer Sieg gewesen sein.
Nun zum zweiten Spieltag. Wir wissen über den Ausgang von sieben der verbleibenden neun Spiele Bescheid: fünf Siege und zwei Niederlagen ergibt 5 Punkte. Demnach muss er die beiden verbleibenden Spiele ebenfalls gewonnen haben, um insgesamt auf 16 Punkte zu kommen. Er hat also 13 Punkte durch 13 Siege und 3 Punkte durch 6 Remisen erzielt. Ein kurzer Vergleich mit den tatsächlichen Resultaten bestätigt unsere Vermutung.
Können wir die Ausgänge der Spiele (ohne die tatsächliche Reihenfolge) auch ermitteln, wenn wir nur die Anzahl der Spiele und die Gesamtpunktzahl kennen? Die Antwort ist einfach: Leider nicht. Wir können zwar ein Gleichungssystem für die Anzahl der Punkte und eines für die Anzahl der Spiele aufstellen. Allerdings dürfen wir dabei nicht vergessen, dass es bei den Punkten auch einen dritten möglichen Ausgang gibt, und zwar 0 Punkte für eine Niederlage zu bekommen. In diesem Fall steht x für die Anzahl der Siege, y für die der Remisen und z für die der Niederlagen:
Wir haben also drei Unbekannte, aber nur zwei Gleichungen und können deshalb keine eindeutige Lösung finden. Eine allgemeine Lösung der beiden Gleichungssysteme lautet wie folgt:
Da uns nur positive ganzzahlige Lösungen interessieren, sind folgende Spielbilanzen möglich:
- 16 Siege, 0 Remisen, 5 Niederlagen
- 15 Siege, 2 Remisen, 4 Niederlagen
- 14 Siege, 4 Remisen, 3 Niederlagen
- 13 Siege, 6 Remisen, 2 Niederlagen
- 12 Siege, 8 Remisen, 1 Niederlagen
- 11 Siege, 10 Remisen, 0 Niederlagen
Johannes C. Huber (beschäftigt sich lieber mit schachmathematischen Aufgaben als selbst zu spielen)
* Wir könnten die Möglichkeiten noch weiter eingrenzen,
wenn wir berücksichtigen, welche davon in Kombination mit den Spielbilanzen
aller anderen Spieler möglich wären.