Thema: Software und Koordinatensysteme
Obwohl manche Menschen mit räumlicher Geometrie zu kämpfen haben, sind wir grundsätzlich recht gut darin, uns in einer dreidimensionalen Umgebung zurechtzufinden. Sobald unser Vorstellungsvermögen einigermaßen mit dem kartesischen Koordinatensystem vertraut ist, erweitern wir dieses noch um eine weitere Achse und können uns somit in alle erdenklichen Richtungen bewegen.
Dabei spielt die Orientierung der drei Raumachsen jedoch eine entscheidende Rolle. Es gibt nämlich sogenannte rechts- und linkshändige Koordinatensysteme. Auf den ersten Blick mag man vielleicht keinen großen Unterschied zwischen den beiden Varianten erkennen, aber wir können sie uns, wie der Name schon sagt, ganz einfach mit zwei Händen veranschaulichen. Dazu streckt man jeweils den Daumen, Zeige- und Mittelfinger aus und spreizt die drei so auseinander, dass jeweils ein kleines Koordinatensystem entsteht. Der Daumen stellt dabei die x-, der Zeigefinger die y- und der Mittelfinger die z-Achse dar, wobei diese meist rot, grün und blau gefärbt werden:
Merkhilfe für Links- & Rechtssystem (Bildquelle: Johannes C. Huber)
Ein rechtshändiges System ist vor allem in der Wissenschaft und vermutlich deshalb auch im Schulunterricht gebräuchlich. Es ist mathematisch positiv, aber geodätisch negativ, d. h. gegen den Uhrzeigersinn orientiert. In diesem Fall stellen wir uns vor, dass wir ein zweidimensionales Koordinatensystem auf einem Blatt Papier vor uns liegen haben und es mit einer dritten Achse nach oben erweitern, sodass wir es frontal betrachten (Normalsicht).
Ein linkshändiges System, hingegen, ist mathematisch negativ, aber geodätisch positiv, d. h. im Uhrzeigersinn orientiert. Dazu können wir uns vorstellen, dass wir ein zweidimensionales Koordinatensystem auf einem Bildschirm sehen, welches wir mit einer dritten Achse in das Display hinein erweitern, sodass wir es aus der Vogelperspektive betrachten (Draufsicht). Linkssysteme kommen unter anderem in der Geodäsie und bei Pixelgrafiken zum Einsatz, wobei im letzteren Fall die positive y-Achse nach unten zeigt.
So weit so gut, aber was genau ist jetzt das Besondere an den beiden Systemen? Immerhin können wir in beiden letzendlich die gleichen Dinge tun. Es kommt also eigentlich nur darauf an, welche Orientierung man bevorzugt. Die Eigenschaften mathematisch und geodätisch positiv bzw. negativ beruhen auf dem Drehsinn der Achsen (ähnlich wie bei der Drehrichtung von Gewinden von Schrauben). Um diesen zu ermitteln, schauen wir uns an, in welche Richtung wir den positiv bzw. negativ orientierten Richtungsvektor einer Achse drehen müssten, um auf dem kürzesten Weg zum entsprechenden Richtungsvektor der nächsten zu kommen.
Eine einfache Möglichkeit, um die Orientierung der Achsen rechnerisch festzustellen, ist das Spatprodukt (Skalarprodukt des Kreuzprodukts zweier Vektoren und eines dritten Vektors) ihrer positiven Richtungsvektoren zu bilden. Falls dieses positiv ist, handelt es sich um ein Rechtssystem und falls nicht, handelt es sich um ein Linkssystem.
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Links- und einem Rechtssystem ist, dass wir das eine nicht ohne Spiegelungen in das andere überführen können. In anderen Worten: Wir können ein Rechtssystem so lange drehen, wie wir wollen, aber es wird trotzdem niemals ein Linkssystem daraus werden und umgekehrt. Das würde mathematisch gesehen nämlich einer nicht-zyklischen Vertauschung der Einheitsvektoren des entsprechenden Vektorraums entsprechen.
Viele Computerprogramme arbeiten mit Koordinatensystemen. Dabei gibt es anscheinend keinen einheitlichen Standard, aber durchaus eine Tendenz in Richtung Rechtssysteme. Zusätzlich dazu wird noch unterschieden, ob dabei die y- oder z-Achse nach oben zeigt. Ich habe mich informiert, welche Programme mit welcher Variante arbeiten und meine Erkenntnisse in Form einer Übersicht, die an jene von Ahmed Yasin Burul und Freya Holmér angelehnt ist, festgehalten (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
Orientierung der Koordinatenachsen in verschiedenen Computerprogrammen* (Bildquelle: Johannes C. Huber)
Derartige Software kommt beispielsweise in der Mathematik und den Naturwissenschaften, in der Architektur, beim 3D-Druck oder der 3D-Animation und im Game Design zum Einsatz. Personen, die verschiedene Programme verwenden, müssen sich unter Umständen mit Rechts- und Linkssystemen auseinandersetzen, da es unter anderem zu Darstellungsfehlern kommen kann, falls Dateien in unterschiedlichen Umgebungen bearbeitet werden. Mithilfe von Skripten können jedoch, unabhängig von der Orierntierung der Achsen, Transformationen durchgeführt werden, um die Koordinaten aus einem System in ein anderes zu übertragen und so etwaige Probleme zu vermeiden.
Johannes C. Huber (achtet beim Anwenden der Handregel darauf, nicht nur die z-Achse zu zeigen)
* Hier eine genaue Auflistung der Software in der Übersicht:
Rechtssysteme
mit y-Achse oben: Adobe Substance 3D Painter, Autodesk Maya, Autodesk
Softimage (früher XSI), Houdini, Minecraft, Modo, OpenGL, Roblox Studio, Verge3D
Rechtsysteme
mit z-Achse oben: Archicad, Autodesk 3DS Max (war früher ein
Linkssystem), Autodesk AutoCAD, Blender, Cryengine, Gam3d, GeoGebra,
SketchUp, Ultimaker CURA, Valve Source²
Linkssysteme mit y-Achse oben: Lightwave 3D, Maxon Cinema 4D, Microsoft Direct3D/X, Unity, ZBrush
Linkssysteme mit z-Achse oben: Unreal Engine
Quellen:
- Rechts- und Linkssystem in Mathe online
- Koordinatentransformationen in Cinema 4D
- Unterschied zwischen Umgebungs- und Objektkoordinaten in Cinema 4D
- Koordinatensysteme in OpenGL
- Portieren von einem System in ein anderes in Direct3D
- Transformation über Parameter auf IN DUBIO PRO GEO
- Tabelle der Orientierungen in verschiedenen Programmen